Forschung

Selen schützt Neuronen im Gehirn

Forscher haben belegt, dass Selen ein essenzieller Faktor für die postnatale Entwicklung eines ganz bestimmten Typs von Nervenzellen ist.

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MÜNCHEN. 200 Jahre nach der Entdeckung des Spurenelementes Selen haben Forscher am Helmholtz Zentrum München geklärt, warum dieses chemische Element essenziell für das Überleben von Säugetieren ist. Als Bestandteil des Enzyms GPX4 schütze Selen bestimmte Nervenzellen im Laufe der Entwicklung vor dem Zelltod (Cell 2017; online 28. Dezember), teilt das Forschungszentrum mit.

Das Team um Dr. Marcus Conrad, Gruppenleiter am Institut für Entwicklungsgenetik (IDG) des Helmholtz Zentrums München, beschäftige sich seit Jahren mit einer als Ferroptose bekannten Form des Zelltods. In diesem Zusammenhang sei das Enzym GPX4 von Bedeutung, das normalerweise Selen in Form der Aminosäure Selenocystein enthält.

Enzym GPX4 mischt bei der Ferropose mit

GPX4 steht für das Enzym Glutathionperoxidase 4, eines von 25 Selenoproteinen im Menschen, erklärt das Helmholtz Zentrum München in seiner Mitteilung. Im Enzym sei das Selen ein integraler Bestandteil der 21. Aminosäure Selenocystein. Dem Enzym scheine bei der Ferroptose eine entscheidende Funktion zuzukommen, dem Zerfall von Zellen in Abhängigkeit von Eisen.

Bisher sei die Ferroptose noch unvollständig verstanden, so das Münchner Forschungszentrum, aber die Wichtigkeit des zellulären Suizids habe sich zum Beispiel durch die weitaus besser erforschte Apoptose bereits eindrucksvoll bestätigt.

Untersuchungen an Mausmodellen

"Um die Rolle von GPX4 besser zu beschreiben, hatten wir Mausmodelle etabliert und untersucht, bei denen das Enzym verändert war", erklärt Conrad in der Mitteilung des Helmholtz Zentrum München zur Veröffentlichung der Studie. "Dabei fiel uns vor allem eines auf, bei dem GPX4 nicht mit Selen, sondern mit Schwefel gebildet wird." Den Wissenschaftlern zufolge war dieses Modell aufgrund neurologischer Komplikationen nicht länger als drei Wochen lebensfähig.

Auf der Suche nach den Ursachen stießen die Forscher auf bestimmte Nervenzellen im Gehirn, die ohne selenhaltiges GPX4 fehlten. "In weiteren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass diese Nervenzellen während der Entwicklung durch Ferroptose zugrunde gegangen waren, wenn kein selenhaltiges GPX4 vorlag", wird Erstautorin Irina Ingold vom IDG zitiert.

Oxidativer Stress löst Ferroptose aus

Weiterhin konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Ferroptose vor allem durch starken oxidativen Stress ausgelöst wird, wie er durch hohe Stoffwechselaktivität und bei der Signalübertragung in Nervenzellen typisch ist, so das Helmholtz Zentrum in seiner Mitteilung.

"Unsere Studie belegt zum ersten Mal, dass Selen ein essenzieller Faktor für die postnatale Entwicklung eines ganz bestimmten Typs von Nervenzellen ist", ordnet IDG-Wissenschaftler Dr. José Pedro Friedmann Angeli die Ergebnisse ein. "Selenhaltiges GPX4 schützt die Nervenzellen vor oxidativem Stress und dem dadurch bedingten Absterben."

Forscher wollen Rolle der Ferroptose ergründen

Damit erklärt die Studie, warum Selenoenzyme in manchen Organismen wie den Säugern essenziell sind, wohingegen sie bei anderen Organismen wie Pilzen und höhere Pflanzen entbehrlich sind.

Künftig will Studienleiter Conrad mit seinem Team untersuchen, wie und wo genau in der Zelle die Ferroptose ausgelöst wird. Langfristig gehe es ihm darum, die Rolle der Ferroptose bei verschiedenen Erkrankungen zu verstehen, um derzeit noch nicht oder nur schwer therapierbare Erkrankungen wie Krebs oder Neurodegeneration lindern zu können. (eb)

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