Amygdala
Wahrnehmung des Körpers – So funktioniert das
Die Amygdala im Gehirn schützt vor Illusionen: Eine Hemmung der Amygdalae macht anfälliger für Täuschungen.
Veröffentlicht:BONN. Bei der „Gummihand-Illusion“ handelt es sich um eine klassische Sinnestäuschung, die auf Experimenten beruht, die 1998 von Matthew Botvinick und Jonathan D. Cohen veröffentlicht wurden, erinnert die Uniklinik Bonn (UKB). Die Versuchsperson legt beide Hände auf einen Tisch. Eine der Hände wird verdeckt und daneben eine täuschend echt wirkende Gummihand platziert.
Dann werden gleichzeitig echte Hand und Gummihand mit einem Pinsel rhythmisch gestreichelt. Bei den allermeisten Probanden stellt sich nach einiger Zeit das Gefühl ein, dass die künstliche Hand Teil des eigenen Körpers ist.
Ein Team um Professor René Hurlemann, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, UKB, hat dieses Experiment an eineiigen Zwillingen durchgeführt, die am Urbach-Wiethe-Syndrom erkrankt sind (Journal of Neuroscience 2019; online 25. Februar), teilt die die UKB mit. Bei der seltenen Erkrankung sind unter anderem in beiden Schläfenlappen des Gehirns die Amygdalae defekt.
„Als eine Folge ist bei den Zwillingen die Körperwahrnehmung beeinträchtigt“, wird Hurlemann in der Mitteilung zitiert. Prompt stellte sich bei den Zwillingsschwestern die Gummihand-Illusion besonders rasch und sehr ausgeprägt ein.
Ein Jahr später wiederholten die Forscher das Experiment an den Zwillingen – mit gleichem Ergebnis. Die Wissenschaftler vermuteten deshalb, dass die Amygdala eine wichtige Rolle zum Schutz vor Körperwahrnehmungsstörungen spielt.
Die Forscher wiederholten das Experiment an einer Kontrollgruppe mit 20 gesunden Frauen, heißt es in der Mitteilung der UKB. Dabei habe sich gezeigt, dass es viel länger dauerte als bei den Zwillingen mit defekten Amygdalae, bis sich die Gummihand-Illusion einstellte.
Wie sich anhand eines standardisierten Fragebogens zeigte, war darüber hinaus die Sinnestäuschung bei den Frauen mit intakten Amygdalae viel schwächer als bei den Zwillingen. Im nächsten Schritt haben die Forscher mit einem Hirnscanner das Volumen der Amygdalae bei 57 Probanden (36 Frauen und 21 Männer) gemessen, heißt es in der Mitteilung.
Außerdem wurde erneut das Gummihand-Experiment durchgeführt und die Zeit gemessen, bis die Gummihand-Illusion auftrat. Ergebnis: Je kleiner die Amygdala, desto schneller stellte sich die Sinnestäuschung ein.
Für Hurlemann deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die Amygdala generell eine Schutzfunktion vor gestörter Körperwahrnehmung hat. Die Wissenschaftler fragen sich nun, ob die Amygdala vielleicht auch bei Krankheiten eine Rolle spielt, die mit einem gestörten Körperschema zusammenhängen.
Hurlemann: „Wir stehen am Anfang einer wichtigen wissenschaftlichen Spur, die vielleicht auch für psychische Erkrankungen eine Relevanz hat. (eb)