Mädchen häufiger psychisch krank

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Vor allem Mädchen leiden an psychischen Störungen, etwa Depressionen.

Vor allem Mädchen leiden an psychischen Störungen, etwa Depressionen.

© Anton Vasilkovsky / fotolia.com

HEIDELBERG (eb). Ein Drittel aller Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren hat sich schon einmal absichtlich eine Schnittverletzung zugefügt; 18 Prozent tun dies häufiger, aber nur 8 Prozent der Jungen. Dies sind erste deutsche Ergebnisse der internationalen Schulstudie "Saving and Empowering Young Lives in Europe (SEYLE)". Für die deutsche Teilstudie hat die Uni Heidelberg in der Rhein-Neckar-Region 1411 Schüler an insgesamt 26 Schulen befragt. Es zeigte sich, dass besonders Mädchen psychische Problemen haben: Etwa ein Drittel berichtet von Depressionen, 15 Prozent hegen Suizidpläne, acht Prozent haben bereits versucht, sich zu töten."1,2 Prozent der befragten Mädchen gaben an, in den vergangen zwei Wochen einen Suizidversuch unternommen zu haben", sagte der Heidelberger Studienkoordinator Dr. Michael Kaess der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg. "Suizid ist die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen in Europa", berichtete Professor Franz Resch, Ärztlicher Direktor der Heidelberger Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Junge Männer liegen bei Drogen und Alkohol vorn: Zwölf Prozent trinken wöchentlich oder häufiger Alkohol, 15 Prozent haben schon Erfahrungen mit Drogen gemacht. Leichtsinniges Verhalten ist dagegen geschlechterübergreifend: 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind schon bei einem betrunkenen Fahrer mitgefahren.

Im zweiten Schritt wurden vier konkrete Präventionsprogramme an den teilnehmenden Schulen auf ihre Wirksamkeit überprüft: In einem speziellen Training (Gatekeeper-Training) erlernten Lehrer, gefährdete Schüler zu erkennen, anzusprechen und zu helfen. Die Schüler wurden etwa in Rollenspielen (Awareness-Programm) für die eigenen Gefühle sowie die Probleme der Mitschüler sensibilisiert und lernten, richtig damit umzugehen. Im "Professional Screening" kontaktierten die Heidelberger Psychologen gefährdete Schüler telefonisch und luden sie zum Beratungsgespräch ein. Die "Minimal Intervention" bestand lediglich aus Postern und Kontaktinformationen.

Die ersten Erfahrungen sind positiv: Bei den Lehrern waren das Interesse und der Wunsch nach weiteren Schulungen groß, die Schüler brachten sich beim "Awareness-Programm" mit eigenen Themenvorschlägen aktiv ein. Im "Professional Screening" identifizierten die Wissenschaftler 293 von 417 Schülern dieser Interventionsgruppe als gefährdet. 91 Jugendliche nahmen das Angebot zum Gespräch an.

Welche Maßnahme effektiv zur Prävention von selbstschädigendem Verhalten der Jugendlichen beiträgt und ihre psychische Gesundheit am besten fördert, soll im dritten Schritt der Studie eine weitere Fragebogenerhebung klären. Die Erhebung fand im Juni 2010 statt, ist allerdings noch nicht ausgewertet. Dass bei einer erhöhten Zahl von Jugendlichen derzeit ein Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung vorhanden ist, berichtete Günter Wottke, stellvertretender Leiter des Jugendamtes in Heidelberg. Eine weitere Erhebung im Januar 2011 soll abschließend die Ergebnisse überprüfen.

Alle Präventionsmaßnahmen werden in enger Zusammenarbeit mit den ambulanten, regionalen Versorgungssystemen sowie Therapeuten vorgenommen und sollen Jugendliche mit riskanten und selbstschädigenden Verhaltensweisen, deren Auftreten laut Professor Dr. Romuald Brunner, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg "oft mit einem schwierigen sozialen Umfeld verknüpft ist", an diese regionalen Hilfsangebote und Versorgungsstrukturen heranführen. Längerfristig wird die Etablierung von effektiven Präventionsmaßnahmen für alle Schulen als fester Bestandteil der präventiven Gesundheitsförderung in Deutschland und anderen Ländern angestrebt.

Die Studie wird mit rund drei Millionen Euro von der Europäischen Union gefördert und läuft noch bis Januar 2011. Die Federführung liegt beim Karolinska-Institut in Stockholm.

Weitere Informationen über die SEYLE-Studie: www.klinikum.uni-heidelberg.de/Seyle.114370.0.html

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