Leichte kognitive Störung

Viele Betroffene sind depressiv

Patienten mit einer leichten kognitiven Störung leiden zu einem hohen Prozentsatz auch unter einer behandlungsbedürftigen Depression, so das Ergebnis einer aktuellen Studie.

Von Julia Rustemeier Veröffentlicht:
Bei leichten kognitiven Einschränkungen könnten auch Depressionen hinter der Symptomatik stecken.

Bei leichten kognitiven Einschränkungen könnten auch Depressionen hinter der Symptomatik stecken.

© Patrick Pleul/dpa

CALGARY / SCHWERIN. Schon länger beschäftigen sich Forscher mit der Frage, welche Zusammenhänge es zwischen einer leichten kognitiven Einschränkung (Mild Cognitive Impairment, MCI) und Depressionen gibt. Eine auf springermedizin.de präsentierte Studie kam nun zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel aller Patienten mit MIC zusätzlich eine depressive Erkrankung hat (JAMA Psychiatry 2017 ;74(1):58-67).

Neben der Prävalenz depressiver Erkrankungen bei MIC-Patienten sollten auch die Ursachen für die bisher sehr heterogenen und inkonsistenten Ergebnisse anderer Studien zu dieser Fragestellung geklärt werden.

Metaanalyse aus 57 Studien

Hierfür wurden die Datenbanken Medline, Embase und PsycINFO auf bisherige Untersuchungen zu dieser Thematik gescreent. In die Metaanalyse flossen ausschließlich Studien ein, in denen die primäre Stichprobe auf der Grundlage eines sicher diagnostizierten MCI gebildet wurde und in denen depressive Symptome oder die Diagnose einer Depression mit validierten psychometrischen Instrumenten erfasst wurden. Bei der statistischen Auswertung fand eine Stratifizierung im Hinblick auf mögliche determinierende Faktoren statt. Hierzu zählten zum Beispiel die Patientenstichprobe, die Art der Diagnostik und das Durchschnittsalter.

Insgesamt wurden 57 Studien (20.892 Patienten) aufgrund der definierten Einschlusskriterien in der Analyse berücksichtigt. Die Ergebnisse von 28 Studien stammten dabei aus Bevölkerungsstichproben. Die übrigen Daten erhielten die Forscher um Dr. Zahinoor Ismail, University of Calgary, aus 27 klinischen Stichproben. In der Metaanalyse hatten 32 Prozent aller Patienten mit MCI eine komorbide depressive Erkrankung (95 %-Konfidenzintervall (KI) 27-37), allerdings waren die Ergebnisse auch trotz der engen Einschlusskriterien immer noch sehr heterogen.

Unterschied man zwischen den Stichproben aus der Bevölkerung und den klinischen Daten, so ergaben die Untersuchungen auf der Grundlage der Bevölkerungsstichproben mit 25 Prozent (95 %-KI: 19-30) eine niedrigere Prävalenz depressiver Erkrankungen bei MCI-Patienten. Stichproben, die über eine Klinik oder eine Ambulanz erhoben wurden, hatten mit 40 Prozent (95 %-KI: 32-48) eine signifikant höhere Prävalenz für Depressionen.

Dieses Ergebnis sei von hoher klinischer Relevanz, da eine effektive Behandlung der Depression durchaus zu einer guten Besserung der kognitiven Beeinträchtigung führen könne, kommentiert Professor Andreas Broocks, Helios Kliniken Schwerin, die Studie auf springermedizin.de. Deshalb lohne es sich auch, Patienten, die unter einer MIC leiden, systematisch auf eine depressive Erkrankung zu untersuchen. Auch aus dem Grund, dass eine chronifizierte depressive Erkrankung den Übergang in eine Demenz-Erkrankung begünstigen könne, so Broocks.

Heterogenität nicht ganz geklärt

Die Art der Diagnostik (diagnostisches Interview durch einen Kliniker oder Self-Report) hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse. Auch das Alter der Patienten korrelierte nicht mit der Häufigkeit einer Depression, ein Gendereffekt konnte mangels Daten nicht näher untersucht werden.

Somit habe das weitere große Ziel der Studie, die heterogenen Ergebnisse der bisherigen Studien zu erklären nicht nur zum Teil erfüllt werden können, so Broocks in seinem Kommentar. Nur die Art der Stichprobe scheine einen signifikanten Einfluss zu haben.

32%

der Patienten mit einer leichten kognitiven Einschränkung hatten ebenfalls Depressionen.

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