Suche nach Zellersatz bei Parkinson ist im Gange

Bisher gibt es keine Medikamente, die bei Parkinson-Kranken den Untergang von Nervenzellen in der Substantia nigra stoppen. Forscher suchen daher nach Möglichkeiten, die bereits fehlenden dopaminergen Zellen zu ersetzen oder ihre Degeneration zu verhindern. Inzwischen haben sie einige der Faktoren entdeckt, die nötig sind, damit sich Stammzellen in dopaminerge Zellen verwandeln. Auch weshalb die Zellen bei Parkinson sterben, verstehen sie jetzt besser.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Zelltherapien wurden bereits bei Parkinson-Kranken in Studien geprüft. Dabei pflanzte man den Erkrankten dopaminerge Zellen von menschlichen Feten ins Gehirn. Bei einem Teil der Patienten gingen daraufhin die Beschwerden tatsächlich deutlich zurück, einige bekamen jedoch auch schmerzhafte Dyskinesien, vermutlich, weil die Zelldosis zu hoch war. Doch selbst wenn es gelingen sollte, die Zellen richtig zu dosieren, es gäbe kaum genug menschliche Feten für die Therapie bei einer großen Zahl von Patienten. Ein Ausweg sind möglicherweise Stammzellen, die man in Kultur vermehren kann.

Schwierig ist, die Entwicklung der Zellen gezielt zu steuern

Das Problem ist jedoch, sie nach der Kultivierung in den gewünschten Zelltyp umzuwandeln - bei Parkinson-Kranken wären dies dopaminerge Zellen, wie sie in der Substantia nigra vorkommen. Wenn man aber neurogenen Stammzellen nicht genau vorschreibt, wie sie sich entwickeln sollen, dann wird sich ein Teil im Gehirn vielleicht unbegrenzt weiter teilen und einen Tumor auslösen. Ein anderer Teil wird Gliazellen bilden, eine weiterer Teil Neurone, die kein Dopamin produzieren, hat Dr. Nilimah Prakash aus München beim 5. Deutschen Parkinson-Kongress in Ulm berichtet.

Ihr Team hat jetzt untersucht, welche Faktoren bei der Gehirnentwicklung dazu führen, dass aus Stammzellen dopaminerge Nervenzellen entstehen. Fündig geworden sind sie bei einem Botenstoff namens Wnt1. Das Molekül ist in der Gehirnentwicklung dort aktiv, wo die Substantia nigra entsteht. Wird das entsprechende Gen bei Mäuse-Embryonen ausgeschaltet, entwickeln sie kein Mittelhirn, somit keine Substantia nigra und keine dopaminergen Neurone. Wird das Wnt1-Gen dagegen an einer Stelle im Gehirn aktiviert, an der es normalerweise inaktiv ist, bilden sich auch dort Dopamin-produzierende Neurone.

Doch Wnt1 legt nicht nur den Bereich fest, in dem dopaminerge Zellen entstehen. Es löst später in noch unreifen Zellen auch den Mechanismus aus, der sie in dopaminerge Neurone verwandelt, haben Prakash und ihr Team herausgefunden. Will man eines Tages aus Stammzellen Zellen für die Parkinson-Therapie züchten, wird man an Wnt1 kaum vorbeikommen.

Vielleicht braucht man aber gar keine Zellen zu transplantieren. Schließlich gibt es ja in jedem Gehirn bereits adulte Stammzellen, aus denen sich neue Neurone bilden können. Würde es da nicht genügen, solche Zellen mit Faktoren wie Wnt1 zu versorgen, damit sie sich teilen und die zerstörten Neurone in der Substantia nigra ersetzen? Das dürfte vermutlich schwierig werden, wie aus Ergebnissen hervorgeht, die Dr. Günter Höglinger aus Marburg vorgestellt hat.

Bislang glaubten zwar manche Forscher, in der Substantia nigra komme es ständig zu Neubildung von Nervenzellen. Es wurde sogar behauptet, die Nervenzellen dort würden bei Mäusen im Laufe ihres Lebens einmal komplett ersetzt. Doch die Arbeit ist umstritten, sagte Höglinger. Möglicherweise liege eine Fehleinschätzung von Versuchsdaten vor.

Sein Team hatte in der Substantia nigra in einem Parkinson-Maus-Modell zwar auch viele Zellen gefunden, die sich teilen wollten - sie hatten ihren Chromosomensatz bereits verdoppelt. Doch Höglinger wies nach, dass es genau diejenigen Zellen waren, die bei den Tieren zugrunde gegangen waren.

Mit verschiedenen Markern belegte er, dass in den teilungswilligen Zellen zugleich ein Suizidprogramm lief - die Apoptose. Und offenbar war es der Teilungsversuch, der die Zellen in den Tod trieb. Wurde der Start der Zellteilung durch die Blockade von Teilungsgenen unterbunden, blieben die Zellen am Leben.

Dieselbe Situation fand Höglinger auch in der Substantia nigra von Parkinson-Patienten. Dort gab es ungewöhnlich viele degenerierende Zellen, in denen die Zellteilung angesprungen war.

Dringend gesucht: Substanzen, die eine Zellteilung stoppen

Offenbar, so Höglinger, gibt es in der Substantia nigra Signale, die eine Zellteilung verbieten. Jeder Versuch, sich über das Verbot hinwegzusetzen, wird mit dem Tod bestraft.

Unklar bleibt, was die Neuronen bei Parkinson-Kranken zum Start der Zellteilung und damit ins Verderben treibt. Einen Trost geben Höglingers Daten immerhin: Substanzen, die eine Zellteilung im frühen Stadium stoppen, können die Zellen retten. Das wäre zumindest ein neuer Ansatz für eine Parkinsontherapie.

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