Studie mit Exenatid

Neuroprotektion durch Diabetesmittel?

Eine Therapie mit Exenatid bei Parkinson hat möglicherweise nervenschützende Effekte: Selbst nach dem Absetzen des Wirkstoffs bleibt die Motorik deutlich besser als mit Placebo.

Von  Thomas Müller Veröffentlicht:
3-D-Nervenzell-Modell: Für Exenatid konnten bereits in Tiermodellen neuroprotektive Eigenschaften nachgewiesen werden.

3-D-Nervenzell-Modell: Für Exenatid konnten bereits in Tiermodellen neuroprotektive Eigenschaften nachgewiesen werden.

© ralwel / Fotolia

LONDON. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Parkinsonmedikament nicht nur eine symptomatische Linderung, sondern auch eine nervenschützende Wirkung verspricht. Allerdings konnten solche Effekte weder für Dopaminagonisten noch für MAO-B-Hemmer klar gezeigt werden. Daher sollte der Begriff "Neuroprotektion" mit Vorsicht verwendet werden.

Neue Hoffnung lässt immerhin eine kleine Studie britischer Forscher aufkeimen: Sie konnten belegen, dass sich die Motorik bei Parkinsonkranken unter dem Diabetesmittel Exenatid verbessert und der Effekt zwölf Wochen nach dem Absetzen noch weitgehend erhalten bleibt.

3,5 Punkte Differenz auf der motorischen UPDRS-Skala

Für Exenatid konnten bereits in Tiermodellen neuroprotektive Eigenschaften nachgewiesen werden, und eine erste offene Vergleichsstudie mit 45 Patienten ergab signifikante Verbesserungen bei der Motorik und der kognitiven Leistung. Neurologen um Dr. Dilan Athauda vom University College London wollten daher prüfen, ob sich ein solcher Erfolg auch unter placebokontrollierten Bedingungen wiederholen lässt.

Für ihre Studie konnten sie 62 moderat erkrankte Patienten mit ersten motorischen Komplikationen (wearing-off) gewinnen. 32 von ihnen wurden verblindet und nach dem Zufallsprinzip der Exenatidgruppe, 30 der Placebogruppe zugewiesen. Die Patienten injizierten sich den Wirkstoff einmal wöchentlich über einen Pen, in der Exenatidgruppe enthielt dieser 2 mg des Inkretinmimetikums – also ähnlich viel wie zur Diabetestherapie. Während der Studie nahmen die Teilnehmer wie gewohnt ihre bisherigen Parkinsonmedikamente ein.

Die Behandlung dauerte 48 Wochen, dann setzten die Ärzte Exenatid ab. Als primären Endpunkt legten sie Veränderungen in der motorischen UPDR-Skala (MDR-UPDRS III) zwölf Wochen nach dem Absetzen fest.

Signifikante Unterschiede stellten die Ärzte bereits nach zwölf Therapiewochen fest. Ausgehend von 32,8 Punkten war der motorische UPDRS-Wert in der Exenatidgruppe im Off-Status nach Aussetzen der dopaminergen Medikation um 2,5 Punkte gesunken, in der Placebogruppe hingegen vom Basiswert (27,1 Punkte) leicht um 0,5 Punkte gestiegen. Unter Exenatid blieb der Wert bis zum Therapieende weitgehend konstant, mit Placebo stieg er kontinuierlich an. Nach 48 Wochen hatte der Wert unter dem GLP-1-Agonisten verglichen mit dem Studienbeginn um 2,3 Punkte abgenommen, mit Placebo um 1,7 Punkte zugenommen – eine signifikante Differenz von 4,0 Punkten. Wurden Unterschiede wie Alter und Symptomschwere berücksichtigt, ergab sich rechnerisch sogar eine Differenz von 4,3 Punkten.

Zwölf Wochen nach dem Absetzen des GLP-1-Agonisten hatte sich die Differenz auf 3,5 Punkte verringert, war aber noch immer signifikant. Unter dopaminerger Medikation (On-Status) zeigten sich keine signifikanten Veränderungen beim UPDRS-III-Wert zwischen den beiden Gruppen.

Kein Einfluss auf die Lebensqualität

Ebenfalls keine signifikanten Veränderungen ergaben sich bei Demenz-, Depressions- und Dyskinesietests sowie bei den nichtmotorischen UPDRS-Werten, auch hatte die Therapie mit Exenatid keinen spürbaren Einfluss auf die Lebensqualität. DaTscans deuteten in beiden Gruppen auf einen Rückgang der Dopamintransporterdichte, dieser war unter Exenatid im rechten Putamen aber signifikant schwächer ausgeprägt.

Unter dem Inkretinmimetikum verloren die Patienten etwas mehr Gewicht (2,6 versus 0,6 kg), und ein Parkinsonkranker musste die Therapie aufgrund einer Hyperamylasämie abbrechen, darüber hinaus wurden unerwünschte Effekte aber nicht gehäuft beobachtet.

Insgesamt konnte die Studie also eine anhaltende Verbesserung der motorischen Funktion unter Exenatid nachweisen, nicht aber der Kognition oder der Lebensqualität. Ob der Effekt nach dem Absetzen tatsächlich anhält, wie es bei einer Neuroprotektion zu erwarten wäre, müssten jedoch größere und länger dauernde Studien erst noch zeigen. Eine Therapiepause von zwölf Wochen reicht dafür möglicherweise nicht, geben auch die Autoren um Athauda zu bedenken.

Insgesamt dürfte es auch mit Exenatid schwierig sein, symptomatische von neuroprotektiven Effekten zu unterscheiden. Tierexperimente und In-vitro-Studien deuten auf beides: So lassen sich sowohl die dopaminerge Funktion verbessern als auch das Nervenwachstum, die mitochondriale Biogenese und der neuronale Insulinstoffwechsel. Was davon letztlich klinisch relevant ist, muss sich noch zeigen. Immerhin, so Athauda und Mitarbeiter, rechtfertigten die Resultate weitere Forschungen zu GLP-1-Agonisten bei Parkinson.

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