Wenig neutralisierende Antikörper bei i.m.-Interferon

DÜSSELDORF (awa). Bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) bilden sich bei der immunmodulatorischen Behandlung mit Interferon-beta neutralisierende Antikörper (NAbs). Diese können die Bioverfügbarkeit von Interferon-beta beeinträchtigen, da sie die Bindung des Interferons an die Rezeptoren verhindern. Intramuskulär injiziertes Interferon-beta-1a (Avonex®) induziert im Vergleich mit subkutan injizierten Präparaten am wenigsten Antikörper.

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Die Immunogenität hängt vom gewählten Interferon-beta ab: Reinigungs- und Herstellungsverfahren, Anwendungshäufigkeit, Dosierung, Behandlungsdauer und Applikationsart sind dabei von Bedeutung. Darauf hat Privatdozent Bernd Kieseier aus Düsseldorf dort beim Neurologen-Kongreß hingewiesen.

Eine Studie mit 60 Patienten habe ergeben, daß nach 18 Monaten Therapie mit jeweils einem der drei verfügbaren Beta-Interferone die Inzidenz der NAbs unterschiedlich hoch ist: mit Interferon-beta-1b hatten 31 Prozent der Patienten NAbs, mit subkutanem Interferon-beta-1a 15 Prozent und mit intramuskulärem Interferon-beta-1a zwei Prozent.

Hinweise dafür, daß NAbs von klinischer Relevanz sein könnten, habe eine dänische Studie mit 541 MS-Patienten gebracht, so Kieseier auf einem Symposium des Unternehmens Biogen Idec. Die Analyse eingefrorener Seren habe unter anderem ergeben, daß Patienten ohne NAbs im Mittel 244 Tage länger schubfrei waren als Patienten mit NAbs.

Im vergangenen Jahr hätten Neurologen aus den USA und Europa die Daten zu Interferon-beta-Antikörpern, geeignete Testverfahren sowie zukünftige Forschungsschwerpunkte in einem Konsensus zusammengefaßt, berichtete Professor Hans-Peter Hartung aus Düsseldorf. Hierbei sei die klinische Relevanz hoher Antikörpertiter bestätigt worden. Bei der durch Antikörper verringerten Bioaktivität handele es sich aber nicht um ein "Alles-oder-Nichts-Prinzip", sondern um ein graduelles Phänomen.

Die Immunogenität der verschiedenen Beta-Interferone sollte nach Ansicht des MS-Konsortiums bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. Bei NAb-positiven Patienten seien drei Optionen denkbar, so Hartung: die Weiterbehandlung, der Wechsel zu anderen immunmodulatorischen oder immunsuppressiven Substanzen oder eine Auswaschphase mit anschließender Wiedereinstellung. Eine evidenzbasierte Empfehlung könne aber derzeit noch nicht gegeben werden, sagte Hartung.

Eine Bestimmung der Antikörper im Verlauf einer Behandlung sei sinnvoll. Dafür werde zur Zeit ein standardisierter Test entwickelt.

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