Multiple Sklerose

Neurofilament-Wert zeigt MS-Risiko an

Haben Patienten nach einem ersten MS-artigen Schub niedrige Konzentrationen von Neurofilament im Serum, ist die Gefahr, eine MS zu entwickeln, nur sehr gering.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
MRT des Gehirns mit Läsionen durch Multiple Sklerose; die Prognose bei CISPatienten lässt sich anhand des NFL beurteilen.

MRT des Gehirns mit Läsionen durch Multiple Sklerose; die Prognose bei CISPatienten lässt sich anhand des NFL beurteilen.

© NAS / Scott Camazine / Okapia

Das Wichtigste in Kürze

  • Frage: Eignet sich Serum-NFL zur Beurteilung des Konversionsrisikos von Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS)?
  • Antwort: Niedrigere NFL-Werte gehen unabhängig von anderen Risikofaktoren mit einer geringen Konversionsgefahr einher.
  • Bedeutung: NFL eignet sich vor allem zur Beurteilung der Prognose von CIS-Patienten mit geringer Läsionslast.
  • Einschränkung: Retrospektive Analyse, monozentrisch, geringe Patientenzahl.

MAILAND. Neurofilament, genauer „Neurofilament Light Chain“ (NFL), etabliert sich zunehmend als Prognose- und Verlaufsmarker bei MS. Ein gewisser Nutzen wird auch erkennbar, um Patienten mit einem klinisch isolierten Syndrom (CIS) zu identifizieren, die vermutlich keine MS entwickeln. Darauf lässt eine retrospektive Analyse aus der Gruppe des MS-Experten Professor Giancarlo Comi aus Mailand schließen (Neurology 2019; online 11. Januar).

Neurologen um Gloria Dalla Costa vom Klinikum San Raffaele haben im Nachhinein Blutproben von 222 Patienten auf NFL untersucht, die sich zwischen 2000 und 2015 mit einem CIS in der Klinik vorgestellt hatten und mindestens zwei Jahre nachbeobachtet werden konnten. Von ihnen hatten innerhalb von zwei Jahren 20 Prozent eine klinisch manifeste MS mit weiteren neurologischen Symptomen entwickelt und 64 Prozent eine MS nach den 2017er-McDonald-Kriterien.

Nach fünf Jahren betrugen die Anteile jeweils 52 und 79 Prozent. Im Mittel konnten die Patienten acht Jahre lang nachuntersucht werden.

Analyse der Serum-NFL-Werte

Patienten, die einen zweiten Schub entwickelten, waren zu Beginn jünger und hatten erwartungsgemäß häufiger multifokale Symptome, oligoklonale Banden im Liquor, mehr T2-Läsionen und häufiger Gadolinium-anreichernde (Gd+) Läsionen als diejenigen, die von einer klinisch manifesten MS verschont blieben.

Im Median betrugen die Serum-NFL-Werte – gemessen mit einem selbst entwickelten Assay – bei der ersten Blutuntersuchung 22 pg/ml. Die 152 CIS-Patienten, die später eine MS (klinisch oder nach den 2017er-Kriterien) entwickelten, hatten zu Beginn einen Wert von rund 30 pg/ml. Dagegen wiesen die 70 CIS-Patienten, die im Beobachtungszeitraum von einer MS verschont blieben, in den ersten Blutproben einen Wert von knapp 10 pg/ml auf – er war also nur ein Drittel so hoch.

Weniger deutlich waren die Differenzen bei den Liquor-NFL-Werten: Diese lagen bei den späteren MS-Patienten nur doppelt so hoch wie bei denen, die keine MS entwickelten. Die Serumwerte scheinen danach prognostisch aussagekräftiger zu sein, hängen aber stark von Alter, Abstand zum klinischen Schub sowie der Zahl der Gd+- und der T2-Läsionen ab.

Wurden nur Alter und Geschlecht berücksichtigt, so kamen die Forscher um Dalla Costa bei Patienten mit Serum-NFL-Werten in der 10. Perzentile auf ein rund 90 Prozent reduziertes Risiko für eine klinisch manifeste MS – verglichen mit CIS-Patienten in der 25.–75. Perzentile. Solche in der 90. Perzentile tragen nach diesen Daten rechnerisch ein 22 Prozent erhöhtes Risiko für eine klinisch manifeste MS. Wurden auch die Läsionslast und oligoklonale Banden berücksichtigt, änderte sich an den Zahlen nur wenig.

Läsionslast ist entscheidend

Unter Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren lässt sich für CIS-Patienten in der 10. Perzentile zudem ein fast 80 Prozent reduziertes Risiko für eine MS nach den 2017er-Kriterien berechnen, in der 90. Perzentile ist das Risiko dagegen um 62 Prozent erhöht – verglichen wiederum mit CIS-Patienten in der 25.–75. Perzentile.

Lässt sich das Konversionsrisiko anhand der NFL-Werte besser berechnen als mit üblichen Risikofaktoren wie Läsionslast und oligoklonale Banden? NFL ist vor allem bei CIS-Patienten mit geringer Läsionslast aussagekräftig und taugt hier zur Risikostratifizierung, so die Forscher.

Bei hoher Läsionslast sind in der Regel auch die NFL-Werte hoch, hier führt der Biomarker offenbar zu keiner wesentlichen Verbesserung der Prognosebeurteilung. Von Vorteil ist jedoch, dass die Serum-NFL-Messung weniger aufwändig ist und die Patienten weniger belastet als eine Liquor- oder MRT-Untersuchung.

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