Ärzte Zeitung online, 02.06.2010
Kreative und schizophrene Menschen haben ähnliche Thalamusstruktur
STOCKHOLM (men). Das Dopaminsystem im Thalamus von Menschen mit
einer ausgeprägten kreativen Begabung ähnelt demjenigen von
Menschen mit Schizophrenie. Das haben schwedische Forscher
herausgefunden. Sie liefern damit eine mögliche Erklärung
für den beobachteten Zusammenhang zwischen der psychischen
Erkrankung und Kreativität.

Die D2-Rezeptordichte im Thalamus ist bei kreativen Menschen niedrig. Ebenso verhält es sich bei Menschen mit Schizophrenie.
© Markus Schieder / fotolia.com
Eine besonders ausgeprägte kreative Begabung tritt gehäuft
in Familien auf, in denen auch die Anlage zu einer psychischen
Erkrankung vorhanden ist. Außerdem hat man beobachtet, dass
Kreativität mit einem leicht erhöhten Risiko für
Schizophrenie und bipolare Erkrankung assoziiert ist. Eine
mögliche Erklärung dafür ist die Dichte von
Dopamin-D2-Rezeptoren im Thalamus, schreiben Forscher des Karolinska
Instituts in Stockholm in einer aktuellen Publikation (PLoS ONE, 2010,
5(5), e10670).
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler die
Kreativität und die D2-Rezeptordichte von 13 gesunden Personen.
Als Maß für die Kreativität der Studienteilnehmer
diente das Abschneiden in psychologischen Tests (Inventiveness battery,
Berliner Intelligenz Struktur Test). In diesen Tests besteht die
Aufgabe darin, möglichst viele Lösungen für ein Problem
finden.
Die so gemessene Fähigkeit der Probanden zum divergenten
Denken, eine offene, spielerische und kreative Art, Probleme zu
lösen, korrelierten die Autoren mit der anhand von
Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ermittelten D2-Rezeptordichte im
Gehirn der Studienteilnehmer. Dabei untersuchten sie solche Hirnareale
besonders genau, in denen Abweichungen der dopaminergen Funktion
bereits in früheren Studien mit psychotischen Symptomen oder einer
genetischen Disposition für Schizophrenie assoziiert waren. Dazu
gehört der Thalamus, in dem Nervensignale aus der Peripherie
verschaltet und an die Großhirnrinde weitergeleitet werden.
Es zeigte sich, dass die D2-Rezeptordichte im Thalamus bei
hochkreativen Probanden niedriger war als bei weniger kreativen. Da man
auch bei Menschen mit Schizophrenie eine niedrige D2-Rezeptordichte im
Thalamus gefunden hat, sehen die Wissenschaftler hier eine
mögliche Ursache für den beobachteten Zusammenhang zwischen
Schizophrenie und Kreativität.
"Eine niedrige D2-Rezeptordichte im Thalamus senkt vermutlich die
Filterfunktion dieses Hirnareals für Nervensignale und sorgt so
für einen erhöhten Informationsfluss durch den Thalamus",
vermutet Fredrik Ullén vom Karolinska Institut. Dieser
Mechanismus könnte erklären, warum bestimmte Eigenschaften -
etwa ungewöhnliche oder bizarre Assoziationen und Gedankenketten -
sowohl bei schizophrenen als auch bei sehr kreativen, aber psychisch
gesunden Menschen auftreten.
Zum
Volltext der Publikation "Thinking Outside a Less Intact Box: Thalamic
Dopamine D2 Receptor Densities Are Negatively Related to Psychometric
Creativity in Healthy Individuals"

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