Chronophysiologie

Die "Innere Uhr" als Taktgeber für unsere Gesundheit

"Altern – Auch die Innere Uhr tickt" ist Titel des Plenarvortrages von Professor Dr. rer. nat. Henrik Oster aus Lübeck. Oster widmet sich der Frage, wie die Chronotherapie dabei helfen kann, die Wirkung von Medikamenten zu verbessern oder chronischen Erkrankungen vorzubeugen.

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Jede Körperzelle verfügt über Gene, die im Tagesrhythmus aktiv werden.

Jede Körperzelle verfügt über Gene, die im Tagesrhythmus aktiv werden.

© Haag + Kropp/mauritius images

Der Wechsel von Tag und Nacht bestimmt unseren Lebensrhythmus – und das nicht nur im Hinblick darauf, wann wir müde werden und wann wir aufwachen. Auch die Körpertemperatur, der Energiestoffwechsel, die Ausschüttung verschiedener Hormone und die Aktivität von Immunzellen zählen zu den Körperfunktionen, die sich, orientiert am 24-Stunden-Takt, verändern.

Dass gesundheitsrelevante Prozesse so eng mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus verzahnt sind, kann auch therapeutisch genutzt werden. Wie die sogenannte Chronotherapie dabei helfen kann, die Wirkung von Medikamenten zu verbessern oder chronischen Erkrankungen vorzubeugen, darüber wird der Lübecker Neurobiologe Professor Dr. rer. nat. Henrik Oster beim DGIM-Kongress sprechen.

Hierarchisch organisiertes System

Ohne äußere Einflüsse schwinge der innere Taktgeber nicht immer genau im 24-Stunden-Rhythmus, erinnert die DGIM in einer Mitteilung vorab zum Kongress. Beim einen könne der Takt bei 23, beim anderen eher bei 25 Stunden liegen. Wissenschaftler sprächen daher von zirkadianen, also nur ungefähr der Länge eines Tages entsprechenden Rhythmen.

Mehr aktuelle Berichte vom Internistenkongress unter: www.aerztezeitung.de/dgim18

"Man weiß heute außerdem, dass es nicht nur eine Innere Uhr gibt, sondern dass es sich um ein hierarchisch organisiertes System handelt", wird Oster zitiert. Übergeordneter Schrittmacher ist der Nucleus suprachiasmaticus im Zwischenhirn. Er ist dicht an den Sehnerv geschmiegt und kann so die zirkadianen Rhythmen auf den Hell-Dunkel-Rhythmus abstimmen. Aber auch jede Körperzelle verfügt über Gene, die im Tagesrhythmus aktiv werden.

So zuverlässig die Innere Uhr arbeitet, so flexibel reagiert sie auf Veränderungen: Sich auf die Sommerzeit einzustellen oder einen reisebedingten Jetlag zu überwinden, gelingt in der Regel innerhalb weniger Tage. Halten die Störungen jedoch an – etwa durch häufige Nachtschichten oder auch durch ausgeprägte Schlafstörungen – kann dies die Gesundheit der Betroffenen stark beeinträchtigen. "Chronische Störungen des zirkadianen Systems erhöhen das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, aber auch für Krebserkrankungen", so Oster, der das Institut für Neurobiologie an der Universität Lübeck leitet. Auch neuropsychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie und Alzheimer träten häufiger auf.

Inneren Rhythmus stabilisieren!

Eines der Ziele, die chronotherapeutische Ansätze verfolgen, ist daher die Stabilisierung des inneren Rhythmus. "Das kann etwa durch eine Lichttherapie geschehen, oder durch einen festen Aktivitäts- und Essensrhythmus", erläutert Oster in der Mitteilung der DGIM. Auch über Medikamente kann das zirkadiane System beeinflusst werden. Klinisch erprobt sind bislang allerdings lediglich Wirkstoffe, die auf die Hormone Cortisol und Melatonin und die von ihnen angestoßenen Stoffwechselwege wirken.

Mehr als jeder dritte Bundesbürger leide an Schlafstörungen oder anderen Störungen des zirkadianen Rhythmus, so Professor Cornel C. Sieber, Vorsitzender der DGIM und Präsident des 124. Internistenkongresses. Angesichts dieses Ausmaßes komme der Erforschung chronobiologischer Zusammenhänge und möglichen, daraus abgeleiteten Therapieformen eine große Bedeutung zu.

Mit dem zweiten chronotherapeutischen Ansatz verknüpft sich die Hoffnung, die Wirkung von Medikamenten optimieren zu können, indem man die Einnahme auf den zirkadianen Rhythmus abstimmt. Auch die Nebenwirkungen nebenwirkungsreicher Medikamente – etwa in der Krebstherapie – sollten so möglichst gering gehalten werden.

Bisherige Studien haben jedoch noch nicht zu konkreten Empfehlungen geführt. "Vermutlich muss neben der Tageszeit auch der Chronotyp der Patienten berücksichtigt werden – also salopp gesagt, ob sie eher Früh- oder eher Spätaufsteher sind", gibt Oster in der Mitteilung der DGIM zu bedenken. Das mache den Studienaufbau zusätzlich kompliziert. (eb)

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