Schlafstörung

Dank Online-Hilfe besser schlafen

Menschen, die schlecht ein- und durchschlafen, kann eine Verhaltenstherapie helfen. Die klappt auch online und verbessert nicht nur den Schlaf, sondern auch das physische und psychische Wohlbefinden.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schlaflosigkeit: Viele Betroffene leiden auch unter gesundheitlichen Folgen.

Schlaflosigkeit: Viele Betroffene leiden auch unter gesundheitlichen Folgen.

© Focus Pocus LTD / Fotolia

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat eine Online-KVT gegen Insomnie?

Antwort: Außer besserem Schlaf wird auch das körperliche und psychische Wohlbefinden gesteigert.

Bedeutung: Eine Online-KVT könnte helfen, schlafbezogene Beeinträchtigungen zu lindern.

Einschränkung: Nur die Hälfte der Teilnehmer hat alle Sitzungen absolviert. Die Methode ist offenbar nur für einen Teil der Betroffenen geeignet.

OXFORD. Inzwischen werden immer mehr Online-Verhaltenstherapien als kostengünstige Alternative oder Ergänzung zur zeit- und ressourcenintensiven persönlichen Psychotherapie entwickelt.

Sie können zudem als niedrigschwellige Angebote für Patienten dienen, die sich sonst keiner Psychotherapie unterziehen würden.

Auch für Insomniepatienten gibt es mittlerweile solche Angebote. So hat in Großbritannien ein Team um Professor Colin Espie von der Universität in Oxford eine voll automatisierte und algorithmenbasierte kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zur Insomniebehandlung über Computer und mobile Geräte entwickelt.

Patienten werden dabei von einem Avatar, dem „Prof“, durch sechs virtuelle Sitzungen mit einer Dauer von rund 20 Minuten geleitet.

Programm „Sleepio“

Anhand von Schlüsselfragen soll das Programm mit der Bezeichnung „Sleepio“ gezielt auf die Bedürfnisse und Probleme der Patienten eingehen und ihnen Wege aus der Schlaflosigkeit weisen.

Die Betroffenen werden angehalten, ein Schlaftagebuch zu führen und ihre Fortschritte zu dokumentieren. Unterstützung bekommen sie auf Wunsch von anderen, bereits fortgeschrittenen Teilnehmern.

Die Wirksamkeit des Programms wurde bereits in mehreren klinischen Studien untersucht, danach soll Sleepio die Einschlafdauer und die nächtlichen Wachzeiten deutlich reduzieren.

In einer aktuellen Studie hat das Team um Espie nun untersucht, ob das Programm auch patientenbezogene Endpunkte beeinflusst (JAMA Psychiatry 2018; online 25. September).

Sie prüften bei über 1700 Patienten Auswirkungen auf die funktionelle Gesundheit, das psychische Wohlbefinden und die schlafbezogene Lebensqualität. Patienten mit einer Insomniediagnose wurden über soziale Medien und Insomnie-Webseiten auf die Studie aufmerksam gemacht, die Forscher fragten zudem gezielt bei Teilnehmern von Schlafsurveys nach.

Weniger als die Hälte macht alle Sitzungen mit

Die Teilnehmer füllten dazu eine Reihe von Online-Fragebögen aus und wurden dann von einem webbasierten Tool nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt: Die einen durften sich eine Broschüre zur richtigen Schlafhygiene herunterladen (Kontrollgruppe), die anderen bekamen einen Onlinezugang für Sleepio, den sie zwölf Wochen lang nutzen konnten.

Den Teilnehmern mit der Broschüre wurde nach einem halben Jahr ebenfalls die Online-Therapie angeboten.

Von Patienten mit Sleepio-Zugang absolvierten 81 Prozent mindestens eine der Sitzungen, etwas weniger als die Hälfte (48 Prozent) begeisterte sich für alle sechs Sitzungen.

Die Patienten waren im Schnitt 48 Jahre alt und zu 77 Prozent weiblich. Knapp 70 Prozent hatten eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung, zwei Drittel lebten mit einem Partner zusammen.

Fatigue deutlich reduziert

Als primäre Endpunkte wählten die Forscher Veränderungen auf drei Skalen: Der PROMIS-10-Score erfasst die funktionelle oder physische Gesundheit und reicht von 10–50 Punkte. Teilnehmer geben auf einer 5-Punkte-Skala ihre Einschätzung zur Gesundheit und Lebensqualität allgemein an.

Die Warwick-Edinburgh Mental Wellbeing Scale (WEMWBS) erfasst detailliert das psychische Wohlbefinden (14–70 Punkte), der Glasgow Sleep Impact Index (GSII) die Beeinträchtigungen durch die Insomnie (0–100 Punkte). Alle Fragebögen geben ausschließlich die Einschätzungen der Patienten wieder.

Zu Beginn hatten die Patienten in beiden Gruppen einen PROMIS-10-Wert von 32 Punkten. Dieser besserte sich in der KVT-Gruppe im Laufe von 24 Wochen auf 35,2 Punkte, mit der Broschüre nur auf 33,1 Punkte. Die Differenz von 1,8 Punkte zwischen beiden Gruppen war zwar statistisch signifikant, die Effektstärke mit einem Cohen’s-d-Wert von 0,16 aber minimal.

Der globale Gesundheitszustand hatte sich nach Angaben der Patienten also nicht wesentlich verändert. Einen größeren Effekt sahen die Forscher beim psychischen Wohlbefinden: Der WEMWBS-Wert stieg mit der KVT von 43,1 auf 48,6 Punkte, mit der Broschüre nur auf 45,3 Punkte, die Effektstärke war mit 0,38 aber noch immer recht gering.

Nach einem Jahr waren Depressionen schwächer ausgeprägt

Erhebliche Unterschiede wurden jedoch bei den Insomnie-bedingten Beeinträchtigungen deutlich. So sank der GSII-Wert in der KVT-Gruppe innerhalb eines halben Jahres von 88 auf 43 Punkte, mit den Schlafhygiene-Anweisungen nur auf 63 Punkte. Der Cohen’s-d-Wert von 1,46 spricht hier für einen sehr starken Effekt.

Depressionen, Ängste, Müdigkeit und kognitive Probleme waren nach einem halben Jahr mit der KVT geringfügig schwächer ausgeprägt als mit der Broschüre, die Fatigue hatte sich jedoch deutlich stärker reduziert.

Einen kleinen, aber signifikanten Einfluss hatte die KVT auch auf Krankschreibungen: Deren Zahl war stärker gesunken als in der Kontrollgruppe.

Die Forscher um Espie resümieren, dass die Online-KVT nicht nur den Schlaf deutlich bessert, sondern über einen besseren Schlaf auch zu einer geringen, wenngleich messbaren Steigerung des psychischen und körperlichen Wohlbefindens führt.

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