WHO

Europa hat eine schlimme Alkohol-Fahne

Europa bekommt die Alkoholprobleme seiner Bürger nicht in den Griff, warnt die Weltgesundheitsorganisation. Ein neuer Bericht zeigt, dass es kaum Fortschritte gibt beim Bestreben, den gefährlichen Alkoholkonsum zurückdrängen.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Zwei Gläser Wein in einem Hafen in Portugal: Im Schnitt trinkt jeder Bürger im Alter über 15 Jahre in der WHO-Region Europa pro Woche die Alkoholmenge von zwei Flaschen Wein.

Zwei Gläser Wein in einem Hafen in Portugal: Im Schnitt trinkt jeder Bürger im Alter über 15 Jahre in der WHO-Region Europa pro Woche die Alkoholmenge von zwei Flaschen Wein.

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KOPENHAGEN. Weltweit werden in keiner Region so viel Alkoholika konsumiert wie in Europa – mit schlimmen Folgen.

Jedes Jahr sterben in den 30 Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (Norwegen und Schweiz) über 290.000 Menschen durch Alkohol, wird im aktuellen „Status Report 2019“ zum Alkoholkonsum berichtet.

In dem Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden die schädlichen Folgen und die daraus resultierenden politischen Konsequenzen in den Ländern analysiert. Daten aus den Jahren 2010 bis 2016 wurden dazu ausgewertet.

Schädlicher Alkoholkonsum kaum verringert

Nach Angaben der WHO hat sich in dieser Zeit die Rate von schädlichem Alkoholkonsum kaum verringert. Und das, obwohl alle 30 Länder den „Europäischen Aktionsplan zur Reduktion von gefährlichem Alkoholkonsum 2012 bis 2020“ unterschrieben haben, betont das WHO-Regionalbüro Europa in einer Mitteilung. Die WHO appelliert daher an die Politik, dringend mehr gegen Alkoholmissbrauch zu tun.

Im Schnitt trinkt jeder Bürger im Alter über 15 Jahre in der Region pro Woche die Alkoholmenge von zwei Flaschen Wein. Werden Abstinente herausgerechnet, dann ist es sogar die Menge von drei Flaschen Wein – und damit ein Konsum mit möglichen schweren Gesundheitsfolgen, so die WHO.

Episodisches Rauschtrinken ist ein weiteres Problem: Gut 30 Prozent geben im europäischen Schnitt an, bei mindestens einer Gelegenheit in den vergangenen 30 Tagen Getränke mit mindestens 60 Gramm Alkohol getrunken zu haben. Das entspricht etwa fünf 0,3 Liter Bier oder fünf Mal ein Viertel Wein.

Deutschland liegt hier mit 34,2 Prozent über dem Europa-Schnitt. Von den deutschen Männern sind es sogar 51,9 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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5,5 Prozent aller Todesfälle Alkohol bedingt

„Alkohol-Konsum hat in vielen Ländern abgenommen, doch der Fortschritt stockt. Politiker müssen deshalb handeln“, wird Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regional Direktorin für Europa, in der Mitteilung zitiert.

Obwohl die Lebenserwartung in der Region steigt, sind weiterhin 5,5 Prozent aller Todesfälle in den 30 Ländern durch Alkohol bedingt. In absoluten Zahlen steht Alkohol im Jahr 2016 damit für 291.100 Todesfälle in der Region. Dabei gingen 7,6 Millionen Lebensjahre entweder durch frühen Tod oder durch schwere Behinderung verloren, so der Bericht.

Vor allem das Ausmaß vermeidbarer alkoholbedingter Todesfälle bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Europa sei nicht zu akzeptieren, betont die WHO. Jeder fünfte Todesfall bei den 15- bis 19-Jährigen in Deutschland und jeder vierte bei den 20- bis 24-jährigen wird durch Alkohol verursacht.

Außer dem großen verursachten Leid ist damit auch ein riesiger Verlust an Arbeitskraft und wirtschaftlicher Produktivität verbunden.

Alkohol ein Killer

„Alkohol ist in Europa der größte Killer junger Menschen, und wir können uns hier Selbstgefälligkeit nicht leisten“, wird Dr. Carina Ferreira-Borges, Programm-Managerin für Alkohol und Drogen des WHO-Regionalbüros in der Mitteilung zitiert.

Immer noch hätten junge Menschen in vielen Ländern Zugang zu alkoholischen Getränken, obwohl die schädlichen Effekte auf die Hirnentwicklung und die Gesundheit allgemein bekannt sind.

Die WHO appelliert daher dringend an Politiker in Europa, die in dem Aktionsplan für die einzelnen Länder empfohlenen Maßnahmen zu ergreifen.

Kritisiert wird, dass häufig besonders wirksame und kosteneffektive Maßnahmen nicht implementiert werden, wie das Marketing für Alkoholika einzuschränken und Alkoholika zu verteuern. Erfolgreich seien zudem gesundheitliche Aufklärung, die strikte Kontrolle von Alkohol am Steuer oder dem Jugendschutz.

Deutschland wird dabei konkret empfohlen:

  • die Verbrauchssteuern auf Alkoholika zu erhöhen,
  • Verbot oder umfassende Einschränkung von Werbung für Alkoholika in allen Medien,
  • den Verkauf von Alkohol zu beschränken, etwa durch Verkaufsverbote in den Nachtstunden.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 04.09.2019 um 14:54 Uhr.

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