Coxibe oder NSAR? - Pro und Contra

Schmerzen sind für viele ältere Patienten ständige Begleiter. Vor allem degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates sind häufig, und dadurch nimmt auch die Verschreibungshäufigkeit von NSAR zu. Da diese gerade bei älteren Patienten verstärkt zu unerwünschten Wirkungen führen können, gilt gut abzuwägen, wann hier die besser verträglichen Coxibe oder die preiswerteren NSAR verschrieben werden sollten.

Veröffentlicht:

Klaus Krüger

Richtlinien für den Einsatz von Coxiben – NICE-Kriterien*

  • Alter der Patienten >= 65 Jahre
  • Gastroduodenale Ulzera, Blutungen oder Perforationen in der Vorgeschichte
  • (Schwere) Begleiterkrankungen
  • Ausmaß der Beschwerden erfordert hohe Dosis des Antiphlogistikums
  • Begleitmedikation mit oralen Kortikosteroiden
  • Therapie mit Antikoagulantien

In den britischen NICE-Kriterien ist ein Alter über 65 bereits eine Indikation für Coxibe.

Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) sind aufgrund ihres breiten Indikationsspektrums - symptomatische Hemmung von Schmerzen und Entzündung bei verschiedensten Ursachen - eine der meistverwendeten Medikamentengruppen. Einer der wichtigsten Einsatzbereiche sind chronisch entzündliche und / oder schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates. Da Schmerzzustände durch degenerative Erkrankungen mit höherem Lebensalter immer häufiger werden, nimmt parallel hierzu auch die Verschreibungshäufigkeit der NSAR zu.

Andererseits kommt es bei älteren Patienten unter NSAR-Therapie häufiger zu unerwünschten Wirkungen im Gastrointestinaltrakt: Studiendaten belegen, daß gastroduodenale Ulzera und Ulkuskomplikationen bei Patienten über 65 Jahren mindestens doppelt so häufig vorkommen wie bei jüngeren Patienten. Besonders problematisch erscheint hierbei, daß gerade bei älteren Patienten Komplikationen des Gastrointestinaltraktes oft symptomlos oder -arm auftreten und deshalb auch erst spät bemerkt werden.

Geringere NW-Rate: Durch Studien und Praxis-Erfahrungen bestätigt

Die Entwicklung der selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmstoffe (Coxibe) versprach aufgrund des unterschiedlichen Wirkprinzips Abhilfe: Durch die fehlende Hemmung der Cyclooxygenase1 erhoffte man sich - besonders im GI-Trakt - eine Reduzierung NSAR-typischer unerwünschter Wirkungen.

Diese zunächst theoretisch begründete Hoffnung konnte in den letzten Jahren zum einen in kontrollierten Studien, zum anderen durch Erfahrungen in der Praxis und in den Post-Marketing-Beobachtungen bestätigt werden.

Inzwischen haben sich für Coxibe verschiedene Eigenschaften herauskristallisiert - so besitzen Coxibe im Vergleich zu NSAR:

  • ein besseres gastrointestinales Verträglichkeitsprofil,
  • vermutlich eine geringere Hepatotoxizität (vor allem im Vergleich mit Diclofenac),
  • ein geringeres Blutungsrisiko und
  • kein unterschiedliches Risikopotential in bezug auf sonstige unerwünschte Wirkungen auf Blutdruck oder Niere.
  • Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre (CV)-Komplikationen kommt es möglicherweise zu einer Risikosteigerung.

Werden adäquate Vergleichsdosen verwendet, wirken nach der Studienlage NSAR und Coxibe ähnlich stark; dies hat sich auch in der Praxis in den letzten Jahren bestätigt.

Zusammenfassend ergeben sich im wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Gruppen in zweierlei Hinsicht:

Empfehlungen zum Einsatz von Coxiben bei Arthrose/Arthritis

Die Verwendung von Coxiben anstatt herkömmlicher NSAR ist angezeigt bei

  • positiver Anamnese für gastrointestinale Komplikationen (Ulzera, Blutungen, Perforationen),
  • Co-Medikation mit Antikoagulantien, Kortikoiden (in höherer Dosis),
  • Patienten über 65 Jahren, falls weitere Risiken hinzukommen.

In den Empfehlungen der Kommission "Pharmakotherapie" der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie wird für den Einsatz von Coxiben außer dem Alter ein koexistierender zweiter Risikofaktor gefordert.

1. Coxibe wie Rofecoxib (Vioxx®), Celecoxib (Celebrex®), Valdecoxib (Bextra®) und Parecoxib (Dynastat®) führen zu einer signifikant verringerten Rate an gastrointestinalen Komplikationen. In fast allen Studien mit Placebo-Kontrollgruppe lag diese Rate auf Placebo-Niveau, in Post-Marketing-Untersuchungen entsprach sie derjenigen in der Normalbevölkerung. Nach neuen Daten dürfte sich dieser Vorteil nicht nur auf Magen und Duodenum, sondern auch auf den unteren GI-Trakt erstrecken. Auch scheinen unter Coxiben Leberwert-Erhöhungen seltener als unter herkömmlichen NSAR (besonders Diclofenac) vorzukommen.

2. Coxibe wirken nicht thrombozytenaggregationshemmend und haben damit auch keine blutungsfördernden Eigenschaften, dementsprechend sind sie bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko den NSAR vorzuziehen. Andererseits kann die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung der NSAR bei Patienten mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ein zusätzlicher Schutzfaktor sein (allerdings nur, wenn ein Wirkspiegel über 24 Stunden besteht). Dies muß bei den Coxiben durch zusätzliche Applikation von Thrombozytenaggregationshemmern ausgeglichen werden.

Das übrige Nebenwirkungsprofil ist nach bisherigem Kenntnisstand für beide Substanzgruppen gleich zu beurteilen. Dies gilt auch für die bei älteren Patienten besonders relevanten Einflüsse auf Blutdruck und Niere. Coxibe und NSAR sind hier mit Vorsicht, das heißt unter Kontrolle des klinischen Status, der Nierenfunktion und des Blutdrucks, vor allem in der ersten Therapiephase, und gegebenenfalls reduzierter Dosis einzusetzen.

Alter über 65 ist bereits per se Indikation für Coxibe

Coxibe sind, im Vergleich zu den meist als Generika verfügbaren herkömmlichen NSAR, teurer. Allein schon aus finanziellen Zwängen ergibt sich die Notwendigkeit, möglichst genau zu definieren, wann Coxibe dennoch an Stelle der NSAR zum Einsatz kommen sollten oder müssen.

Unbestritten besitzen Patienten über 65 Jahren ein erhöhtes GI-Risiko. Dies hat dazu geführt, daß in verschiedenen internationalen Leitlinien dieses Alter per se bereits als Indikation eingestuft wird - ein Beispiel für diese Einschätzung sind die britischen NICE-Kriterien (National Institute for Clinical Excellence, 2001). Folgt man diesen, so ist ein sehr großer Patientenkreis betroffen, dabei viele Patienten, die bisher problemlos mit NSAR zu behandeln waren.

Herkömmliches NSAR oder Coxib? Differentialindikation in verschiedenen Ausgangssituationen
Ausgangssituation
Medikamentenwahl
Bisheriger problemloser NSAR-Einsatz
NSAR
Ersteinsatz eines Antiphlogistikums ohne erkennbare sonstige Risiken
NSAR
Gastrointestinale-Komplikationen in der Anamnese
Coxib
Erhöhtes Blutungsrisiko
Coxib
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Coxib + ASS*
Hypertonie / Herzinsuffizienz / leichtere renale Probleme
NSAR und Coxib, sind mit Vorsicht einzusetzen**
* Vorteil der Coxibe ist bisher noch nicht durch Studien gesichert.
** Differentialindikation richtet sich nach sonstigen Risikofaktoren.
Quelle: Krüger, Grafik: FORSCHUNG UND PRAXIS / ÄRZTE ZEITUNG
Bei Abwägung von Nutzen und Risiko ist dringend zu empfehlen, zumindest diese Empfehlungen bei älteren Patienten einzuhalten.

In den restriktiver formulierten Empfehlungen der Kommission "Pharmakotherapie" der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (aus dem Jahre 2001) wird deshalb außer dem Alter ein koexistierender zweiter Risikofaktor gefordert. Dies können zum Beispiel anamnestische GI-Probleme, ein erhöhtes Blutungsrisiko oder problematische Co-Medikationen wie Kortikoide, aber auch schwere Begleiterkrankungen sein.

Folgt man diesen Empfehlungen, so ergibt sich der oben aufgeführte Indikationsbereich. Bei Abwägung von Nutzen und Risiko - auch unter forensischem Aspekt - ist eine Einhaltung zumindest dieser Empfehlungen bei älteren Patienten dringend zu empfehlen. Kann der niedergelassene Kollege dokumentieren, daß er dem entsprochen hat, so dürfte auch ein Regreß-Risiko minimal sein.

Coxibe statt herkömmliche NSAR - Risiken für ältere Patienten?

Gibt es spezielle, mit dem Einsatz von Coxiben verknüpfte Risiken?

Zunächst ist nochmals festzuhalten, daß sie bezüglich sonstiger, zum Beispiel renaler, unerwünschter Wirkungen im Vergleich zu etablierten NSAR keine Vorteile besitzen. Somit gelten für beide Substanzgruppen die gleichen Anwendungsprinzipien und Kontraindikationen. Ein besonderes Problem könnte durch die fehlende thrombozytenaggregationshemmende Wirkung - die andererseits den Vorteil des verringerten Blutungsrisikos hat - bei Patienten mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse entstehen. Diese Patienten benötigen daher eine Co-Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern wie niedrigdosierter ASS.

Nach indirekten Analysen ist auch die Kombination Coxib + ASS sicherer als NSAR + ASS, zum einen wegen des geringeren Blutungsrisikos, zum anderen wegen des Vorteils geringerer GI-Nebenwirkungen. In einer direkten kontrollierten Studie ist diese Frage allerdings bisher nicht untersucht worden.

Prof. Dr. Klaus Krüger, St. Bonifatius-Str. 5, 81541 München, Tel.: 089 / 691-4222, Fax: 691-4230, E-Mail: klaus.krueger@medinn.med.uni-muenchen.de

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