Kopfschmerz durch Analgetikaabusus kann auch Kinder plagen

Über die Zunahme von Kopfschmerzen bei Kindern wird inzwischen häufig berichtet. So beträgt etwa die Prävalenz der Migräne bei Kindern fünf bis zehn Prozent. Daß bei ihnen durch häufige Einnahme von Analgetika ebenso wie bei Erwachsenen eine Gefahr für arzneimittelinduzierte Kopfschmerzen besteht, wird nach den Erfahrungen von Dr. Bernhard Croissant vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim jedoch noch wenig thematisiert. Was in einem solchen Fall helfen kann, verdeutlicht er am Beispiel eines elfjährigen Schülers (Nervenarzt 5, 2005, 489).

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Ein elfjähriger Schüler stellt sich wegen Migräne und starken Kopfschmerzen in einer nervenfachärztlichen Praxis in Begleitung seiner Eltern vor. Er berichtet von beinahe täglichen dumpf-drückenden, beidseitigen Kopfschmerzen mit gastrointestinalen Beschwerden.

  • Was ist bisher passiert?

Der Junge, der durch beide Eltern mit Migräne vorbelastet ist, leidet ebenfalls bereits seit einigen Jahren an dieser Kopfschmerzform. Seit etwa zwei Jahren hat er aber fast täglich Kopfschmerzen. Gegen die Schmerzen nimmt er täglich 400 bis 1600 mg Ibuprofen ein sowie zusätzlich im akuten Migräneanfall Metamizol (500 bis 100 mg) und Acetylsalicylsäure (500 bis 1000 mg).

Seit vier Wochen hat er zusätzlich vom Hausarzt Metoprolol zur Migräneprophylaxe in einer Dosierung von 47,5 mg pro Tag verordnet bekommen - bisher allerdings ohne Erfolg.Nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) ist bei Kinderkopfschmerz Ibuprofen bei einer akuten Migräneattacke allerdings nur in einer Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht geeignet.

Dies würde bei diesem Patienten eine Dosierung von 350 mg bedeuten - allerdings nicht täglich.Von der Mutter ist zudem zu erfahren, daß sie wegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Medikamentenabhängigkeit mit arzneimittelinduzierten Schmerzen derzeit in Behandlung ist.

  • Was ist nun zu tun?

Bei der körperlichen Untersuchung einschließlich EEG werden weder neurologisch noch allgemeinmedizinisch Auffälligkeiten entdeckt. Der Entwicklungsstand ist altersentsprechend. Auch psychisch ist der Junge unauffällig. Aufgrund der Anamnese wird daher die Diagnose eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes (ICD-10: G44.4) gestellt bei zugrundeliegender Migräne ohne Aura (ICD-10: G43.0).

Therapieempfehlungen zufolge sollten nun zwar alle Schmerzmittel abrupt abgesetzt werden. Dies wird jedoch von dem Jungen und seinen Eltern aus Furcht vor den ausgeprägten Kopfschmerzen abgelehnt.Wir entschließen uns daher zu einem Entzugsversuch mit Amitriptylin, das nach neueren Untersuchungen nicht nur bei chronischen Schmerzzuständen wirksam ist, sondern auch in der Behandlung bei akuter Entzugssymptomatik durch arzneimittelinduzierten Kopfschmerz und in der präventiven Behandlung von Kindern mit Migräne.

Parallel werden verhaltenstherapeutische Maßnahmen (Schmerztagebuch) und Copingstrategien zur Schmerzbewältigung (u.a. Sport, Entspannungstechniken) eintrainiert. Die Migräneprophylaxe wird zudem mit 47,5 mg Metoprolol pro Tag fortgesetzt.Unter der einschleichenden Therapie auf 50 mg Amitriptylin pro Tag kann der Junge nach vier Monaten nahezu komplett auf Schmerzmittel verzichten, ohne daß es zu quälenden Entzugskopfschmerzen gekommen ist.

Nur zweimal habe er zudem in den vergangenen zwei Monaten Kopfschmerzen gehabt, wogegen er dann 1000 mg ASS beziehungsweise 500 mg Metamizol eingenommen habe. Eine Migränesymptomatik ist bisher nicht mehr aufgetreten.Nach dem offensichtlich erfolgreichen Analgetika-Entzug wird nun Amitriptylin langsam abgesetzt, die Prophylaxe mit dem Betablocker wird noch für zunächst zwei Jahre fortgesetzt.

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