Fentanyl-Intoxikation bei Zehnjährigem

Ein Junge stürzt mit dem Fahrrad. Die elfjährige Schwester holt auf Geheiß der Mutter Pflaster aus dem Arzneischrank. Das Fatale: Die Mutter hält das transdermale Fentanyl für ein Wundpflaster.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

LÜBECK. Transdermale Fentanyl-Pflaster bergen ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Kinder. In Lübeck nutzte eine Mutter ein solches System zur Wundversorgung bei ihrem zehnjährigen Sohn.

Der Junge war mit dem Fahrrad gestürzt und anschließend zu Fuß nach Hause gekommen. Die Mutter beauftragte ihre elfjährige Tochter, ein Pflaster aus dem Apothekenschrank zu holen, um die Schürfwunde am rechten Ellenbogen zu versorgen. Das Mädchen holte ein Pflaster, das ihrem Vater nach seinem Motorradunfall "so gut geholfen hätte", berichten Dr. Ludger Tüshaus und Kollegen vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck (Monatsschr Kinderheilkd 157, 2009, 786). Den Arm umwickelte die Mutter zudem mit einer Binde, sodass die Pflaster nicht mehr erkennbar waren.

Als der Junge 15 Minuten später mehrfach erbrach und somnolent wurde, rief die Mutter den Notarzt, der den Jungen bewusstlos und mit einer Atemfrequenz von 5/min vorfand. Nach kurzer Maskenbeatmung wachte er wieder auf. In der Klinik waren Labor, Sonografie und Schädel-Computertomografie unauffällig. Der Junge erbrach erneut mehrfach, trübte wieder ein, hatte eine respiratorische Azidose, ohne dass die Kinderärzte und Anästhesisten die Ursache fanden. Eine Opioidexposition wurde von der Mutter auf gezielte Nachfrage verneint, ein späteres Opioidscreening des Urins fiel negativ aus.

Kurz bevor der Entschluss zur Intubation gefasst wurde, erhielt der Junge ex juvantibus 0,2 mg Naloxon intravenös, um eine akzidentelle Opioidintoxikation auszuschließen. Daraufhin klarte der Patient sofort auf. Erst die Wundinspektion offenbarte zwei Fentanyl-Pflaster mit einer Dosis von 100 µg/h. Die Pflaster hatten insgesamt drei Stunden auf den Wunden geklebt, wodurch der Junge 600 µg des Opioids aufgenommen hatte. Das entsprach 20 µg/kg und damit dem bis zu Vierfachen der Dosis wie sie etwa zur Intubation von Kindern verabreicht wird. Der Patient benötigte eine insgesamt 60-stündige Naloxon-Dauerinfusion, bevor die Therapie beendet werden konnte.

Tüshaus und seine Kollegen weisen darauf hin, dass es bereits mehrfach zu schweren Unfällen gekommen ist, weil Kinder Kontakt mit Fentanylpflastern hatten. Es müsse im häuslichen Umfeld von Schmerzpatienten darauf hingewirkt werden, dass die Pflaster für Kinder unerreichbar aufbewahrt und auch entsorgt werden. Durch Ersthelfer versorgte Wunden sollten vom behandelnden Arzt selbst inspiziert werden.

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