Verunsicherte Patienten

Diagnostik-Inflation bringt nicht viel

Verunsicherten Patienten ist wenig geholfen, wenn Untersuchungen angefordert werden, die wahrscheinlich keinen Befund ergeben. Negative Ergebnisse in der Apparatediagnostik können offenbar weder Krankheitsängste noch die zugrunde liegenden Beschwerden lindern.

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Bei Rückenschmerzen ist nicht immer gleich eine Röntgen-Aufnahme nötig.

Bei Rückenschmerzen ist nicht immer gleich eine Röntgen-Aufnahme nötig.

© Dan Race / fotolia.com

EDINBURGH. Bei akuten Rückenschmerzen gleich zum Röntgen? Bei anhaltenden Kopfschmerzen sofort ein MRT? Solange die Patienten keine Alarmzeichen aufweisen, die auf eine schwerwiegende Erkrankung hindeuten, besteht dafür eigentlich keine Indikation.

Wenn Ärzte trotzdem eine weiterführende Diagnostik veranlassen, liegt es nicht selten daran, dass sie mit den zu erwartenden negativen Ergebnissen die Patienten zu beruhigen hoffen.

Doch Dr. Alexandra Rolfe und Dr. Christopher Burton von der Universitätsklinik Edinburgh halten das für eine Fehleinschätzung.

Die beiden Mediziner haben in einer systematischen Übersicht den Einfluss von Tests mit geringer Vortest-Wahrscheinlichkeit auf das subjektive Befinden der Patienten untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass "der Einsatz von diagnostischen Tests wenig dazu beiträgt, die Patienten zu beruhigen".

Der Review stützt sich auf 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 3828 Patienten, deren Beschwerden entweder sofort oder erst später bzw. gar nicht mittels Gerätediagnostik abgeklärt wurden (JAMA Intern Med 2013; online 25. Januar).

Die Symptome, die meistens erst seit kurzer Zeit bestanden, umfassten Dyspepsie, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Brustschmerz und Palpitationen und waren bei keinen der Patienten verdächtig auf eine gravierende Erkrankung.

Beruhigende Wirkung begrenzt

In drei Studien war die Krankheitsangst beurteilt worden: Die Patienten der Diagnostikgruppe hatten bei Rückenschmerzen eine Röntgenaufnahme, bei Kopfschmerzen ein MRT und bei Thoraxschmerzen ein EKG und Bluttests erhalten.

Doch ihre Ängste in Bezug auf die Beschwerden waren weder kurz- noch langfristig geringer als bei den Patienten ohne diese Tests. Auch die generelle Besorgtheit der Patienten, so das Ergebnis von zwei Studien, wurde durch negative Untersuchungsbefunde nicht abgeschwächt.

Für die Fortdauer der Symptome, die in elf Studien ausgewertet worden war, spielte es ebenfalls keine Rolle, ob die Patienten gleich Geräteuntersuchungen unterzogen worden waren oder nicht.

Lediglich bei den weiteren Arztbesuchen wurde infolge der zusätzlichen Diagnostik ein minimaler Rückgang registriert. Allerdings lag die Zahl der Untersuchungen, die erforderlich waren, um einen Praxisbesuch zu vermeiden, zwischen 16 (Endoskopien bei Dyspepsie) und 26 (Röntgenaufnahmen bei Rückenschmerzen). "Eine Kosten-Nutzen-Analyse würde hier sicher nicht zugunsten der Diagnostik ausfallen", kommentieren Rolfe und Burton.

Die Studienautoren erklären sich die marginale Wirkung der aufwendigen Diagnostik damit, dass die Negativbefunde den Patienten wahrscheinlich nur vorübergehend ein Gefühl der Sicherheit geben.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Ärzte den Wert solcher Tests überschätzen, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine ernste Erkrankung gering ist." Ärzte müssten sich bewusst sein, dass die beruhigende Wirkung solcher Untersuchungen sehr begrenzt sei - und sollten daher auch nur solche Tests veranlassen, die aller Voraussicht nach Einfluss auf das klinische Vorgehen haben. (bs)

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