Morbus Sudeck

Pharmaka vor Intervention

Wie werden Patienten mit M. Sudeck behandelt? Beim Schmerzkongress in Hamburg gab's Infos dazu.

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HAMBURG. Patienten mit CRPS (Complex Regional Pain Syndrome, M. Sudeck) leiden unter Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und Hyperalgesie, Störungen der Motorik und der Hautdurchblutung.

Auffällig sind aber auch Ödeme sowie trophische Veränderungen der Hautanhangsgebilde, des Bindegewebes, der Muskulatur und Knochen. "Die Symptomatik bietet also ein buntes Bild, das durch eine Standardtherapie nicht zu behandeln ist", erklärte Professor Frank Birklein, Universitätsmedizin Mainz, beim Deutschen Schmerzkongress.

Steroide sind in der frühen Phase des CRPS - also in den ersten drei bis sechs Monaten - gut wirksam: Decortin H, initial mit 100 mg dosiert und dann alle vier Tage um 25 mg reduziert, führt zu einer raschen Besserung der sichtbaren Entzündung und der Funktion. Schmerzen bleiben aber in der Regel bestehen.

Auch von Bisphosphonaten profitieren Patienten in der frühen Phase: 40 mg Alendronat über acht Wochen beispielsweise kann Schmerzen, Drucktoleranz und Ödeme ebenso verbessern wie die Funktion und Mobilität. Zu beachten sei aber das Risiko für eine Kieferosteonekrose, sodass vor Therapie eine Zahnsanierung empfohlen werde, so Birklein.

Die Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen kann aufgrund der geringen Evidenz derzeit nicht empfohlen werden und ist zudem teuer. In den Niederlanden ist eine Therapie mit Radikalfängern wie Dimethylsulfoxid (DMSO) die Methode der ersten Wahl.

Birklein konstatierte aber eine fragliche Wirksamkeit: "Aber Sie machen mit DMSO auch nichts falsch, zumal die Nebenwirkungsrate gegen Null geht." Das Gleiche gilt für eine Prophylaxe mit Vitamin C (500 mg/d über 50 Tage nach Fraktur), die von Patienten gut angenommen wird.

"Schmerz und Hyperalgesie sind häufig das größte Problem beim CRPS", berichtete Birklein. Hier kann der Einsatz von intravenösem Ketamin empfohlen werden. Allerdings wird vor psychotropen Nebenwirkungen gewarnt.

Memantin kann vor allem in Kombination mit Morphin effektiver sein, als Morphin allein. Opioide sollten aber nur bei nachgewiesener positiver Opioidsensitivität der Schmerzen eingesetzt werden.

Für Gabapentin, das nur gering positive Effekte auf die Sensibilitätsstörung und weniger auf die Schmerzen zeigt, wird keine Empfehlung ausgesprochen. Trizyklische Antidepressiva sind nach persönlicher Erfahrung Birkleins wirksamer - die Effektivität sei aber nicht durch Studien belegt. Bezüglich Schmerz bei CRPS seien weitere Studien erforderlich, resümierte Birklein.

Erst wenn die medikamentöse Therapie versagt, sollten interventionelle Verfahren eingesetzt werden, erklärte Privatdozentin Dr. Heidrun Krämer vom Universitätsklinikum Gießen: "Allerdings ist auch hier die Datenlage mau."

Einer aktuellen Cochrane-Analyse zufolge scheint die lumbale Sympathikusblockade (LSB) mit Lokalanästhetika beim CRPS keinen Benefit zu haben. Die Mehrzahl der Studien zeigte keine Gruppenunterschiede im Vergleich zu Plazebo oder zu anderen Interventionen.

Die zusätzliche Gabe von Botulinumtoxin zu LSB verlängert verglichen mit LSB allein die Analgesie signifikant von zehn auf 71 Tage. Bei positiv ausgefallenen Testinjektionen könne LSB - bis maximal zehn Blockaden mit zwei Blockaden pro Woche - jedoch hilfreich sein, so Krämer.

Die elektrische Rückenmarkstimulation (Spinal Cord Stimulation, SCS) ist bei Patienten mit therapierefraktären neuropathischen Schmerzen ohne Allodynie und ohne psychiatrische Erkrankungen indiziert.

In Verbindung mit Physiotherapie zeigt sich im Vergleich zu Physiotherapie allein ein über zwei Jahre anhaltender, signifikanter Effekt auf den Schmerz. Die Funktionalität wird dagegen nicht beeinflusst. Zudem ist die Komplikationsrate mit 20-30 Prozent Revisionen hoch.

Auch diese Methode sollte erst nach positiver Teststimulation und multidisziplinärem Assessment Anwendung finden und ist spezialisierten Zentren vorbehalten.

Bei CRPS-assoziierter Dystonie, die konservativ nicht beherrschbar ist, ist die intrathekale Baclofen-Applikation angezeigt. Sie zeigt gute Wirkung hinsichtlich Lösung der Dystonie und Schmerzreduktion. Auch hier ist die Komplikationsrate hoch.

Da sich beim CRPS bis zu 50 Prozent psychogene Bewegungsstörungen finden, ist zudem die Auswahl der Patienten schwierig, wie Krämer berichtete.Einen neuen, erfolgreichen Ansatz zur Behandlung des CRPS stellte der Verhaltens- und Schmerztherapeut Jeroen de Jong von der Universität Maastricht vor.

Die Methode zielt nicht auf den Schmerz selbst, sondern auf die schmerz-assoziierte Angst vor Bewegung, die bei dem Syndrom eine wichtige Rolle spielt. Durch abgestufte Schmerz-Exposition (Graded Exposure) kann die Angst innerhalb von zwei bis drei Wochen überwunden werden, wie de Jong erklärte: "Die Patienten bleiben auch im Follow up von sechs Monaten völlig angstfrei."

In ersten Studien besserte sich nicht nur die Aktivität und Beweglichkeit, sondern auch der Schmerz. Symptome wie Hyperästhesie, Ödeme, Asymmetrie der Hautfarbe und -temperatur sowie Schwitzen konnten ebenfalls reduziert werden beziehungsweise verschwanden komplett. (koc)

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