Schmerz- und Palliativtag

Schmerzmedizin beklagt Versorgungsdefizite

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin lässt sich nicht beirren: Unermüdlich fordert sie seit Langem die Einführung des Facharztes für Schmerzmedizin, so auch auf dem Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt. Damit stößt sie auf innerärztlichen Widerstand.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Wie ein Puzzlespiel: Die Versorgung von Schmerzpatienten bleibt eine große Herausforderung.

Wie ein Puzzlespiel: Die Versorgung von Schmerzpatienten bleibt eine große Herausforderung.

© DOC RABE Media / fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), hatte zum Auftakt des Deutschen Schmerz- und Palliativtags am Mittwoch in Frankfurt eine klare Botschaft.

Um die etwa 23 Millionen Schmerzpatienten in Deutschland besser versorgen zu können, sei eine Bedarfsplanung erforderlich, sagte er.

Dafür aber werde dringend die Einführung des Facharztes für Schmerzmedizin benötigt, denn die Bedarfsplanung orientiert sich an Facharztgruppen.

"Miserables Versorgungssystem"

2,2 Millionen Menschen leiden seinen Angaben zufolge unter schwersten chronischen Schmerzen mit psychischen Beeinträchtigungen, doch es gebe lediglich 1066 ambulant tätige Vertragsärzte, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung teilnehmen.

Und nur 381 von ihnen betreuen ausschließlich Schmerzpatienten. "Wir haben eines der miserabelsten Versorgungssysteme, wenn es um Schmerzmedizin geht", kritisierte der Verbandspräsident.

"Lang andauernde uneffektive Diagnose- und Therapieversuche führen nicht nur zu hohen Kosten im System, sondern sind auch ursächlicher Bestandteil einer weiteren Chronifizierung der Schmerzen".

Die DGS will sich beim Kampf um den lange geforderten Facharzt nicht entmutigen lassen. "Fachgebietsegoismen" und "Besitzstandsdenken" von Kollegen seien Hauptgründe dafür, dass der Forderung bisher kein Erfolg beschieden sei, sagte Müller-Schwefe.

DGS-Vizepräsident Dr. Michael Überall, stellte klar, dass jede neue Facharztgruppe Geld aus dem Budget ziehe, das dann anderswo fehle.

"Es fällt unendlich schwer, die Bundesärztekammer, die Ärzteverbände, Politiker und Krankenkasse bei diesem Thema unter einen Hut zu bekommen", sagte Überall.

Eindeutig positionierte sich die DGS mit Blick auf die in diesem Jahr anstehende politische Entscheidung zum assistierten Suizid.

Würden schmerzmedizinische und palliativmedizinische Therapieoptionen umgesetzt, sei der assistierte Suizid überflüssig, sagte Müller-Schwefe, der vor einer Freigabe warnte: "Wir würden Grenzen öffnen, die wir nicht beherrschen können", sagte er.

Innovatives Praxisregister

Mit dem DGS Praxisregister Schmerz hat die Gesellschaft im vergangenen Jahr ein bundesweites Forschungsprojekt initiiert, das helfen soll, Wissenslücken schließen.

Es reiche nicht aus, die Versorgung von schmerzkranken Menschen theoretisch und rückblickend durch fundierte wissenschaftliche Forschungsprojekte zu verbessern, so Überall.

Dringend erforderlich sei eine konkrete Unterstützung durch schmerzmedizinisch tätige Ärzte bei der Diagnosestellung und Behandlung ihrer Schmerzpatienten.

Die DGS setzt bei diesem Projekt auf die Webanwendung iDocLive®. Dabei dokumentieren Patienten den Verlauf ihrer Beschwerden online ins System. "Die so erhobenen Daten erlauben Einblicke in die Versorgungsrealität, erläuterte Überall.

Aktuell beteiligt sind 30 Zentren, mehr als 2800 Patienten machen bereits mit. Für Ende 2015 wird ein Datenbankvolumen von etwa 14 000 Teilnehmern erwartet.

Das System analysiert bereits bei der Eingabe die Patientenangaben und liefert dem Arzt gezielte Vorauswertungen mit Blick auf versteckt vorliegende Befunde oder mögliche Entwicklungen. Für Mitglieder der DGS ist die Nutzung des Systems kostenlos.

Zum Deutschen Schmerz- und Palliativtag, der einmal im Jahr in Frankfurt stattfindet, werden bis zum kommenden Samstag etwa 2500 Besucher erwartet.

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