Knie-TEP

Bei Schmerzen immer Infekt ausschließen!

Klagt der Patient nach Knie-TEP über Schmerzen, kommen viele Ursachen infrage. Beim Chirurgenkongress wurde ein Algorithmus vorgestellt, der die Abklärung effizienter machen soll. Die Infektdiagnostik gehört in jedem Fall dazu.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Zwar stellt die Knieendoprothetik heutzutage im Großen und Ganzen ein erfolgreiches Verfahren dar. Dennoch klagen bis zu 20 Prozent der Patienten nach dem Eingriff über persistierende Beschwerden. Die Diagnostik gestaltet sich aufgrund der Vielzahl der möglichen Ursachen – von der Instabilität über die aseptische Lockerung bis hin zur periprothetischen Infektion – oft alles andere als einfach. "Alles abklären wäre ineffektiv und teuer", so Michael Fuchs von der Berliner Charité. Beim Chirurgenkongress in München stellte der Experte einen Algorithmus vor, der die Differenzialdiagnostik bei schmerzender Knie-TEP erleichtern soll.

Laut Fuchs sollte vorrangig eruiert werden, ob der Schmerz in Ruhe oder nur belastungsabhängig auftritt. Auch die Frage, ob der Patient nach der Op zwischenzeitlich zufrieden war oder die Beschwerden von Anfang an bestanden haben, ist für das weitere Vorgehen hilfreich. Treten die Schmerzen bei Belastung auf, liegt ein mechanisches Problem nahe, welches eine Instabilitätsdiagnostik erforderlich macht.

Nach Infektzeichen fragen

Die Frage nach Infektzeichen wie Schwellung, Erguss und Überwärmung gehört bei allen Patienten mit schmerzender Prothese zur Basisdiagnostik, ebenso wie die Frage nach Funktionseinschränkungen. Nicht immer, so Fuchs, seien die Beschwerden jedoch auf das Kniegelenk zurückzuführen. In manchen Fällen müsse man auch an eine Somatisierungsstörung denken; bei einem solchen Verdacht sei es dringend zu empfehlen, von Anfang an andere Disziplinen zurate zu ziehen.

Bei der Untersuchung steht die aktive und passive Überprüfung des Bewegungsumfangs im Vordergrund. Dabei kommt es auch auf den Patellalauf an. Zur radiologischen Basisdiagnostik gehört das Kniegelenk in zwei Ebenen und die axiale Patellaaufnahme.

Ebenfalls in allen Fällen empfiehlt Fuchs eine Punktion des Gelenks. Auf ein Lokalanästhetikum solle man verzichten, da dieses aufgrund seiner bakteriziden Eigenschaften das Ergebnis verfälschen könne. Ist keine Punktion möglich, kann man dem Experten zufolge bei hochgradigem Infektverdacht auch eine diagnostische Arthroskopie erwägen: "Hier korreliert die Anzahl der entnommenen Proben mit der Nachweisrate." Man solle daher mindestens fünf mikrobiologische sowie fünf histologische Proben einschicken.

Nach den Kriterien der Musculoskeletal Infection Society (MSIS) liegt ein periprothetischer Infekt dann vor, wenn sich eine Fistel zeigt, in mindestens zwei Proben Keime nachgewiesen werden oder vier der folgenden sechs Kriterien zutreffen:

- CRP und BSG erhöht

- = 1,7 x 103 Leukozyten pro ml Gelenkflüssigkeit

- = 65 Prozent neutrophile Granulozyten in der Gelenkflüssigkeit

- Keimnachweis in einer Kultur

- Pus im Gelenk

- > 5 Leukozyten pro "high power field" im Gewebe.

Die Zahl der Fälle mit aseptischer Lockerung ist in Deutschland rückläufig, berichtete der Experte. Dennoch könne es nötig sein, eine solche auszuschließen. Hierzu eigne sich sehr gut das Nativröntgen im Zeitverlauf. Zeigt sich dabei ein "Lysesaum" um die Prothese, gilt es zu klären, ob dieser echt ist oder ob es sich lediglich um eine strahlenaufgehellte Linie ("radiolucent line") handelt, die auf dem Boden von Knochenumbauprozessen entstehen kann. "So etwas", so Fuchs, "ist nicht unbedingt ein morphologisches Korrelat einer Prothesenlockerung."

Bei Verdacht auf Instabilität oder Achsenrotationsfehler können eine Ganzbeinstandaufnahme oder Stressaufnahmen durchgeführt werden. Fuchs stellte einen Patienten vor, bei dem er auf dieser Grundlage die Indikation für einen einseitigen aseptischen Prothesenwechsel gestellt hatte. Bei diesem hatte man von dem Befund bei gehaltener Aufnahme auf eine multidirektionale Instabilität geschlossen.

CT mit diagnostischem Mehrwert

Einen diagnostischen Mehrwert kann nach Fuchs die Computertomografie bringen, und zwar insbesondere dann, wenn der Verdacht auf eine Malpositionierung der Komponenten besteht. Im Gegensatz dazu wird die Szintigrafie in der Diagnostik bei schmerzender Knie-TEP in der Charité so gut wie nicht eingesetzt, weil sie zu unspezifisch ist.

Zuweilen gebe es Patienten, die diesen Algorithmus ohne Ergebnis durchlaufen, berichtete Fuchs. Hier müsse man auch an eine sekundäre Arthrofibrose denken. Diese könne beispielsweise auf der Grundlage von Low-Grade-Infekten entstehen. Das Krankheitsbild beruht auf einer pathologischen intraartikulären Vermehrung von Fibrozyten, was zur Narbenbildung führt. Laut Fuchs handelt es sich bei der Arthrofibrose um eine Ausschlussdiagnose. Bestätige sich der Verdacht, müsse man den Patienten über den limitierten Therapieerfolg aufklären.

Gelegentlich wird auch eine allergische Reaktion als Ursache für Schmerzen vermutet, etwa gegen die in der Prothese enthaltenen Nickel- oder Chromverbindungen oder auch gegen Bestandteile des Zements. Dem Experten zufolge fehlt für solche Zusammenhänge jedoch jegliche Evidenz.

Patienten ohne objektivierbare Schmerzursachen sollten nach Fuchs je nach Leidensdruck innerhalb von drei bis sechs Monaten wieder einbestellt werden. Dann sei es unter Umständen sinnvoll, das Prozedere zu wiederholen: "Insbesondere bei Low-Grade-Infekten ist es möglich, dass sich ein Keim erst ein halbes Jahr nach der initialen Diagnostik zeigt."

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