Opioide wirken auch bei jahrelanger Therapie sicher

Um bei Patienten mit Rückenschmerzen aufgrund degenerativer Veränderungen die oft starken Beschwerden zu lindern und so eine gute Lebensqualität zu erhalten, kann eine Analgetika-Dauertherapie unumgänglich sein. Daß stark wirksame Opioide bei langfristiger Anwendung nicht nur eine effektive, sondern auch sichere Option sind, verdeutlicht der Schmerztherapeut Dr. Hubertus Kayser aus Bremen in unserer heutigen Schmerzkasuistik.

Veröffentlicht:
  • Die aktuelle Situation

Eine Patientin, 62 Jahre, wird wegen ausgeprägter, chronischer Rückenschmerzen (Lumboischialgie) an unsere Praxis überwiesen, da alle bisherigen therapeutischen Maßnahmen die Schmerzen nicht ausreichend gelindert haben.

Die Frau klagt dabei über einen seit zwei Jahren bestehenden gürtelförmigen Dauerschmerz in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Oberschenkelrückseiten. Die Schmerzstärke wird auf der visuellen Analogskala (VAS) mit im Mittel 6 angegeben (10 = Maximalschmerz). Bei Belastung nimmt die Heftigkeit der Schmerzen, die dann bis in die Fersen ausstrahlen, deutlich zu bis auf VAS 8.

Bei ansonsten gutem Allgemeinzustand sind bei der Patientin vor allem eine rechtskonvexe Lumbalskoliose mit Rotation nach rechts sowie Druckschmerzen im unteren Lendenwirbelbereich (L4 bis S1) auffällig.

Bei der körperlichen Untersuchung treten zudem Reklinations- und Flexionsschmerz auf. Paravertebral liegt beidseitig eine ausgeprägte Muskelverspannung vor.

Die Röntgenaufnahme verdeutlicht eine rechtskonvexe Torsionsscherbewegung der Lendenwirbelsäule. Im Kernspin sind eine multisegmentale Osteochondrose (LWK1 bis LWK4) und eine Bandscheibenprotrusion (L2/L3; L3/L4) erkennbar mit einer Einengung des Foramen intervertebrale infolge der Skoliose.

Trotz der chronischen Schmerzen und der daraus resultierenden vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit ist die Grundstimmung der Patientin weitgehend positiv.

  • Was ist bisher passiert?

Die Patientin, die seit vielen Jahren über rezidivierende Lumbalgien klagt, wurde zunächst überwiegend physiotherapeutisch behandelt. Doch intensive Krankengymnastik und Sporttherapie konnten nicht verhindern, daß die Beschwerden mit der Zeit zunahmen und sich die Körperhaltung verschlechterte.

Verschiedene orthopädische konservative Therapieversuche mit langen stationären Aufenthalten (Kunststoffkorsettanpassung, intensive Physiotherapie und Muskelaufbau) waren ebenso erfolglos wie die schmerztherapeutische Betreuung in verschiedenen Einrichtungen mit Akupunktur sowie Medikamenten wie Diclofenac und Dextropropoxy-phen. Auch die aktuelle Behandlung mit sublingualem Buprenorphin zweimal täglich lindert die Schmerzen nur mäßig.

Den Vorschlag von Ärzten aus drei orthopädischen Kliniken, eine langstreckige Derotationsspondylodese (L1 bis L5) vorzunehmen, lehnt die Patientin ab.

  • Was ist nun zu tun?

Unter der Diagnose ausgeprägte Lumboischialgie bei Torsionsskoliose mit hochgradiger degenerativer Veränderung der Wirbelsäule und Schmerzchronifizierung erhöhen wir zunächst die Opioid-Dosis auf 4 x 1 Tablette Buprenorphin sublingual kombiniert mit einer antidepressiven Therapie zur analgetischen Wirkungsverstärkung.

Als auch damit keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht wird, stellen wir die Patientin auf 35 µg/h Buprenorphin-TTS (Transtec®) um. So kann eine weitere Erhöhung der Tablettenzahl vermieden werden.

Mit dem Opioid-Plaster (Wechsel alle drei Tage) nehmen die Schmerzen dann auf VAS 1-2 ab. Gegen die leichte Obstipation hilft die gelegentliche Einnahme von Natriumpicosulfat-Tropfen. Die Patientin ist mit dem Effekt der Behandlung sehr zufrieden.

Diese Medikation wird bis heute (mehr als 7,5 Jahre) zusätzlich zu einer physiotherapeutischen Komplextherapie (unter anderem mit Krankengymnastik, Massage, Wärmebehandlung, Bewegungsbad) fortgesetzt.

Die Patientin macht zusätzlich Rückengymnastik und Übungen zur progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson. Im Sommer geht sie täglich Schwimmen und sie macht Walking (3/4 Stunde). Auch das Autofahren ist unter der Therapie problemlos möglich.



FAZIT

Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen aufgrund ausgeprägter degenerativer Veränderungen der Rückensäule kann die Behandlung mit einem stark wirksamen Opioid in Pflasterform selbst über eine lange Zeit ohne Dosissteigerung Schmerzen effektiv lindern. Buprenorphin hat sich hierbei als gut verträglich erwiesen. Bei unserer Patientin ist dadurch auch die vorgeschlagene risikoreiche langstreckige Spondylodese nicht mehr notwendig.

Wenn auch Sie eine interessante Kasuistik zum Thema Schmerztherapie haben, schreiben Sie uns Ihren Fall. Oder haben Sie einen besonders kniffligen Schmerzpatienten? Schildern Sie die Problematik! Wir werden sie an unsere Experten weiterleiten. Schreiben Sie an: Ärzte Zeitung, Ressort Medizin, Postfach 20 02 51, 63077 Offenbach oder per Email an: med@aerztezeitung.de

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