Neuer Therapieansatz

Antibiotika gegen Rückenschmerzen

Sind Bakterien in der Bandscheibe Schuld an den heftigen Bescherden? Für Forschungen zur Behandlung von Rückenschmerzen mit Antibiotika wurde jetzt der Deutschen Schmerzpreis verliehen.

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Ungefähr die Hälfte der Patienten mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken weisen bei Untersuchungen im MRT Ödeme im Knochenmark auf. Häufig finden sich im Gewebe dann auch Bakterien.

Ungefähr die Hälfte der Patienten mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken weisen bei Untersuchungen im MRT Ödeme im Knochenmark auf. Häufig finden sich im Gewebe dann auch Bakterien.

© manu/Fotolia

FRANKFURT / MAIN. Die dänische Forscherin Dr. Hanne Albert von der University of Southern Denmark wurde für ihre Studien zur Behandlung von Rückenschmerzen mit Antibiotika mit dem mit 10.000 Euro dotierten Deutschen Schmerzpreis ausgezeichnet. "Dr. Hanne Albert hat mit ihrer bahnbrechenden Arbeit schmerzmedizinische Denkweisen nachhaltig verändert und eine neue Diskussionsbasis zum Verständnis von chronischen Rückenschmerzen geschaffen", wird Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), in einer Mitteilung der DGS anlässlich der Verleihung des Deutschen Schmerzpreises zitiert.

Bakterien in der Bandscheibe

Ungefähr die Hälfte der Patienten mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken weisen bei Untersuchungen im MRT Ödeme im Knochenmark, so genannte ‚modic changes‘, auf. Bei ersten Untersuchungen konnte Albert in dem nach einem Bandscheibenvorfall entnommenen Gewebe bei mehr als 50 Prozent der Patienten Bakterien nachweisen, heißt es in der Mitteilung der DGS.

Zu einem Großteil war das Gewebe mit P. acnes infiziert. Dieses Bakterium, das zur natürlichen Mundflora gehört, gelangt beispielsweise über kleine Verletzungen, die beim Zähneputzen entstehen, ins Blut.

Über neu gebildete Kapillaren an dem ausgetretenen Gewebe der Bandscheibe gelangen die Bakterien schließlich ins Innere der Bandscheibe und verbleiben dort auch nach einer Ausheilung des Bandscheibenvorfalls und verursachen Entzündung, Knochenödem und Schmerzen.

So entstand die Idee, in einer Pilotstudie zu testen, ob Antibiotika gegen den Bakterienbefall und damit auch gegen die Rückenschmerzen der Patienten wirken können. Bereits diese erste Studie habe signifikante Ergebnisse in der Verbesserung gezeigt, so die DGS – sowohl der Schmerzsymptome als auch der funktionellen Beschwerden der Patienten. Weitere randomisierte, placebo-kontrollierte Studien hätten das Ergebnis bestätigt.

Die Patienten erhielten über einen Zeitraum von 100 Tagen 3-mal täglich 1000 mg Amoxicillin. Erste Effekte zeigten sich nach sechs bis acht Wochen und setzten sich über eine Follow-up-Zeit von einem Jahr, in einer weiteren Studie sogar über zwei Jahre fort.

Weniger Frühberentungen?

Auf die Frage, ob nun alle Patienten mit Schmerzen im unteren Rücken mit Antibiotika behandelt werden sollen, wird Albert mit den Worten zitiert: "Nein, aber diejenigen mit ‚modic changes‘, bei denen Bakterien eine Rolle spielen, profitieren enorm."

Ein revolutionärer Ansatz in der Schmerzmedizin, der nicht nur das Leiden von Millionen von Patienten lindern könnte, sondern auch enorme Kosten aufgrund von Arbeitsunfähigkeiten und Frühberentungen einsparen könnte, betont die DGS.

Jährliche Verleihung

Der Deutsche Schmerzpreis – Deutscher Förderpreis für Schmerzforschung und Schmerzmedizin – wird jährlich an Persönlichkeiten verliehen, die sich durch wissenschaftliche Arbeiten über Diagnostik und Therapie akuter und chronischer Schmerzzustände verdient gemacht oder die durch ihre Arbeit oder ihr öffentliches Wirken entscheidend zum Verständnis des Problemkreises Schmerz und der davon betroffenen Patienten beigetragen haben, begründet die DGS ihre Entscheidung.

Wissenschaftlicher Träger des Deutschen Schmerzpreises ist die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin. Der Preis wird gemeinsam mit der Deutschen Schmerzliga verliehen und von dem Limburger Pharmaunternehmen Mundipharma gestiftet. (eb)

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