Online-Umfrage

Bei „Seltenen“ wünschen sich Ärzte Unterstützung

Die meisten Ärzte hatten schon Patienten mit Verdacht auf eine seltene Erkrankung. Allerdings fühlt sich die Mehrzahl nicht ausreichend über „Seltene“ informiert.

Von Michael Hubert Veröffentlicht:

Dreiviertel der Ärzte hatten schon einmal einen Patienten mit dem Verdacht auf eine seltene Erkrankung. Das hat eine Online-Umfrage auf aerztezeitung.de ergeben, an der sich insgesamt 251 Leser beteiligt hatten. Dieses Ergebnis spiegelt gut die Realität in den Praxen wider. Denn insgesamt haben in Deutschland rund vier Millionen Menschen eine der circa 8000 seltenen Erkrankungen.

Fast zwei Drittel der Teilnehmer (61 Prozent) fühlen sich jedoch kaum oder nur mittelmäßig über „Seltene“ informiert. „Ärzte können mit seltenen Erkrankungen wenig anfangen, eben weil sie so selten sind“, sagte Professor Hubert Wirtz im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Dass die meisten Ärzte sich daher nicht ausreichend informiert fühlen, hätte Wirtz auch erwartet. Der Pneumologe vom Universitätsklinikum Leipzig ist in Deutschland Experte für die seltene Erkrankung LAM (Lymphangioleiomyomatose). Immerhin jeder Zehnte fühlt sich gut, jeder Zwanzigste sehr gut informiert. Ein Hinweis darauf, dass die Teilnehmer sich durchaus intensiver mit seltenen Erkrankungen beschäftigt haben.

Web ist eine wichtige Info-Quelle

Fast alle Teilnehmer an der Online-Umfrage setzen sich mit dem Thema „Seltene“ auseinander. Nur rund sieben Prozent gaben an, dass sie dies nicht tun. Meist wird sich via Internet mit Seltenen beschäftigt (69 Prozent). Jeder Zweite (50 Prozent) nutzt wissenschaftliche Publikationen, fast jeder Zweite (43 Prozent) Artikel in der Fachpresse. Fortbildungen und Kongresse werden jeweils von rund jedem vierten Teilnehmer an der vom Unternehmen Pfizer unterstützten Umfrage genutzt.

Bekannteste Informationsquelle sind Netzwerke wie Orpha.net. Diese kennen 64 Prozent der Teilnehmer. Es folgen mit 48 Prozent spezialisierte Zentren. Und immerhin 44 Prozent kennen die Patientenorganisation ACHSE. „Orpha.net ist etwas Gutes, nur müssen sie erst einmal darauf kommen, dass es etwas Seltenes ist“, so Wirtz. Hilfreich seien auch Websites mit Symptomen-Eingabe wie etwa findzebra.com. Es seien allenfalls Hinweise, da mitunter etwas Abstruses herauskomme, so Wirtz. Digitale Diagnose-Tools wünschte sich gut jeder zweite Teilnehmer als Unterstützung, ebenso viele wünschen sich entsprechende Fortbildungen. Beim Wunsch nach der Art der Unterstützung gab es keine klare Tendenz: Mindestens jeder Zweite kreuzte einen der angegebenen Punkte an. Es wird Unterstützung gewünscht, wie erscheint nachrangig.

Zwei Drittel der Teilnehmer (69 Prozent) wünschen sich eine Stärkung des Hausarztes für einen schnelleren Diagnoseweg bei „Seltenen“. Und 43 Prozent wollen hier die Patienten stärken. Es folgen mit je 36 Prozent Fachärzte und spezialisierte Zentren. Stärkere Hausärzte findet auch Wirtz richtig, nur das „wie“ sei offen.

„Hausärzte haben schon ein breites Anwendungsgebiet. Es sind Kollegen, die extrem vielfältig sind.“ Die derzeitige Krux beim Thema „Seltene“ liege nicht an den Hausärzten. Wirtz’ Tipp: „Wenn man eine Weile in eine Richtung geht, und es sieht nicht mehr so aus, wie man es gewohnt ist, dann muss man inne halten und sagen, hier kann etwas anders sein.“ Gleiches gelte, wenn es mit der Diagnose dauere oder eine Diagnose ist gestellt, aber die Therapie passe so gar nicht, dem Patienten gehe es nicht besser oder er klage immer noch über zusätzliche Dinge. Dann brauche es auch die Bereitschaft, einen unbekannten Weg zu gehen, die Neugier darauf, auch mal etwas ganz anderes als das Übliche zu sehen.

„Seltene“ sind populärer geworden

Grundsätzlich sieht Wirtz eine positive Entwicklung: Sich mit „Seltenen“ und Exoten auseinanderzusetzen sei populärer geworden, auch seit es die Zentren an den Unis gebe. Wirtz wünscht sich, dass die vielen Dinge im Internet zusammengeführt würden zu einer gut gestalteten zentralen Suchmöglichkeit auch mit künstlicher Intelligenz (KI). Diese rät aus allen Befunden, was man noch machen sollte.

KI müsste aus den Mustern etwas ableiten, nicht nur die 14 Dinge listen, die vielleicht infrage kommen, so Wirtz. Und wenn am Schluss etwas gefunden wird, lernt die Software für den nächsten Fall. „Wenn man sowas hätte, dann könnte das mit der Zeit ein intelligentes Tool werden.“ Aber das bedeute einen langen Atem und müsse auch finanziert werden. Eine (gemeinsame) Aufgabe auch für die beteiligten Pharmaunternehmen.

Umfrage „Seltene Erkrankungen“ auf www.aerztezeitung.de, Dezember 2018 bis Januar 2019

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