Bewegung hält auch entzündete Gelenke in Schwung

Wer rastet, der rostet - das gilt auch für Patienten mit Arthrose und rheumatischen Erkrankungen. Doch welche Bewegungen sind geeignet, den Gelenkstoffwechsel in Schwung zu halten, ohne die Beschwerden der Patienten zu verschlimmern? Das läßt sich oft nur ganz individuell durch Ausprobieren herausfinden.

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Studien belegen zumindest eindeutig, daß sich körperliche Aktivität positiv auf die Gelenke auswirkt: Nährstoffe werden in den Knorpel hinein-, Abbauprodukte herausbefördert und die Aktivität der Chondrozyten wird angeregt. Bewegung fördert somit die Gelenkfunktion.

Außerdem stärkt sie die Muskulatur, verzögert den Krankheitsverlauf und wirkt schmerzlindernd. Das gilt gleichermaßen für Patienten mit degenerativen Gelenkschäden wie auch für Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen.

Untermauert wird der Nutzen von Sport bei Arthrose zum Beispiel durch eine britische Untersuchung, die beim Europäischen Rheumatologen-Kongreß in Berlin im vergangenen Jahr vorgestellt worden ist (MMW 43, 2004, 19). Dazu haben Dr. Edward Roddy aus Nottingham und seine Kollegen die Ergebnisse von elf Studien zum Nutzen körperlicher Betätigung bei Kniearthrose analysiert.

In drei Studien machten die Patienten Walking, in sieben absolvierten sie zuhause Übungen zur Stärkung des Quadrizeps und in einer wurden Walking und Muskeltraining verglichen. Das Ergebnis der Analyse: Im Schnitt verringerten sich bei regelmäßigem Walking die Schmerzscore-Werte um 17 Prozent, beim Muskeltraining um sieben Prozent. Und auch die subjektiv empfundenen Einschränkungen wurden in einem ähnlichen Ausmaß verringert.

Generelle Empfehlungen für ein standardisiertes Bewegungsprogramm sind nach Ansicht von Professor Jürgen Freiwald, Sportwissenschaftler von der Universität Wuppertal, kaum möglich. Denn ein Patient könne auf die gleiche Belastung, die sich zunächst positiv auf seine Gelenke ausgewirkt hat, zu einem anderen Zeitpunkt mit Schmerzen, Entzündung und Degeneration reagieren.

Insgesamt sei daher nur eines sicher: Bewegung ist gut. Aber welche, das müsse individuell ausprobiert und je nach aktuellem Beschwerdebild immer wieder verändert werden. Folgende Fragen könnten aber, abgesehen von den klinischen und radiologischen Befunden, helfen, eine geeignete Sportart zu finden:

Gibt es beruflich oder durch Freizeitsport bedingte Über- und Fehlbelastungen von Gelenken, und wie oft treten Zeichen einer aktivierten Arthrose (Schmerzen, Schwellung) auf? Maurer haben etwa eine erhöhte Prävalenz von Schultergelenksarthrosen, bei Fußballspielern ist besonders das Hüftgelenk des Standbeins betroffen.

Ist die gewünschte Sportart bereits früher ausgeübt worden? Es ist wenig sinnvoll, mit 65 Jahren noch einen Anfängerkurs für alpines Skifahren zu absolvieren!

Bevor man Patienten von ihrem Lieblingssport abrät - etwa Golf oder Kegeln wegen Rücken- oder Kniebeschwerden - sollte überlegt werden, wie man den Sport gelenkschonender betreiben kann. Denn für viele Patienten hat ihr Sport auch eine nicht zu unterschätzende soziale und psychologische Komponente.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) rät, das Sportprogramm individuell nach dem Beschwerdebild, der Belastbarkeit des Patienten und seinen Neigungen abzustimmen.

Empfehlenswert seien prinzipiell Sportarten ohne große Impulsbelastung (wie sie etwa bei Sprüngen auftreten), ohne Extrembewegungen der Gelenke (insbesondere intensive Rotationen, wie sie beim alpinen Skifahren auftreten können) und abrupte Richtungsänderungen (etwa beim Squashspielen), sondern mit gleichmäßig rhythmischen Bewegungen und geringen Bewegungsenergien.

Es sollte zudem darauf geachtet werden, daß die Belastungen möglichst nicht einseitig erfolgen und nicht mehr als 65 Prozent der Maximalkraft beanspruchen.

Wichtig ist vor allem, daß das Training regelmäßig erfolgt. Sportmedizinisch sinnvoll erscheint dabei eine Frequenz von zwei- bis dreimal pro Woche.

Selbst bei Gonarthrose ist Radfahren ratsam

Bei Arthrose ratsam sind vor allem die klassischen Ausdauersportarten Schwimmen (am besten bei Temperaturen um 30 Grad Celsius) und Radfahren - selbst bei Gonarthrose.

Eine weitere geeignete Sportart ist Joggen - allerdings möglichst auf ebenen Wegen und ohne Abwärtsbelastung. Viel diskutiert wird hier, ob dieser Sport auch für Patienten mit Gelenkfehlstellungen - O- oder X-Beinen etwa - geeignet ist. Nach Ansicht von Freiwald ist ihnen aber nur dann vom Laufen abzuraten, wenn bereits eine Arthrose in Abhängigkeit von der Fehlstellung vorliegt.

Wegen der gleichmäßigen und viele Muskeln beanspruchenden Bewegung wird auch Skilanglauf als saisonale Ergänzungssportart empfohlen. Besonders gelenkschonend sind zudem neue Aktivitäten wie Aquajogging und Walking, aber auch Inline-Skating. Beim Walken verhindern gutes Schuhwerk, eventuell mit Einlagen oder Fersenpolstern, sowie Stöcke Überlastungen. Wer Inline-Skating betreibt, sollte die Protektoren nicht vergessen.

Auch ein Krafttraining, bevorzugt an isokinetischen Geräten mit festgelegten Kraft- und Geschwindigkeitsparametern, kann sich positiv auf den Gelenkstoffwechsel auswirken und das Fortschreiten der Arthrose bremsen, wie Freiwald betont. Wichtiger als der Muskelaufbau, sei dabei die schonende, durchblutungsfördernde Gelenkbewegung.

Besonderen Wert legt die DGSP daher auch auf eine tägliche Ausgleichsgymnastik. Die Dehnung der tonischen (skelettstabilisierenden) Muskulatur und die Kräftigung der phasischen (Bewegung steuernden) Muskulatur können helfen, muskuläre Dysbalancen auszugleichen, die potenziell die Gelenkbelastung verstärken. Außerdem werde die Mobilität der Gelenke verbessert.

Bewegung hilft auch bei rheumatoider Arthritis

Ähnlich wie bei der Arthrose ist eine konsequente Bewegungstherapie auch für Patienten mit entzündlichen Systemerkrankungen wie rheumatoider Arthritis (RA) von großer Bedeutung. So kann durch eine Kombination von Krafttraining und Ausdauertraining - etwa Aquajogging, Wandern oder Radfahren - die Beweglichkeit von RA-Patienten erhalten werden, ohne die großen Gelenke zu schädigen und die Krankheitsaktivität zu erhöhen.

In einer niederländischen Studie etwa wurde der Effekt eines zweimal wöchentlichen Trainings mit je 20 Minuten Fahrradfahren, Zirkeltraining und Mannschaftsspielen sowie Aufwärm- und Entspannungsübungen mit dem einer herkömmlichen Physiotherapie verglichen (Arthritis & Rheumatism 48, 2003, 2415).

Nach zwei Jahren waren die Patienten mit intensivem Training deutlich beweglicher und fühlten sich wohler als jene in der Vergleichsgruppe. Der Gelenkschaden nahm in keiner Gruppe zu. (run)



Schwimmen ist nicht gleich Schwimmen

Schwimmen gehört zwar prinzipiell zu den günstigen Sportarten bei Arthrose, da dabei das Körpergewicht wenig auf die Gelenke drückt. Die Empfehlung muß allerdings differenziert betrachtet werden. So sind Kraul- und Rückenschwimmen vor allem bei Arthrosen an Hüft- und Kniegelenken empfehlenswerter als das meist praktizierte Brustschwimmen mit dem gelenkbelastendem Beinscherenschlag. Beim Brustschwimmen wird zudem eine Hyperlordose der HWS und LWS verursacht. Das bewirkt eine Anspannung der verkürzten tonischen Nacken- und Rückenmuskulatur und eine Abschwächung der phasischen Gesäß- und Bauchmuskulatur.

Auch beim Radfahren gibt es ein paar Dinge zu beachten. So sollte darauf geachtet werden, daß in möglichst kleinen Übersetzungen eine relativ hohe Trittfrequenz erreicht wird. Das reduziert die Gelenkbelastung und fördert die Beweglichkeit. Steile Berge sollten von Patienten mit Gonarthrose vermieden werden, da dabei das Kniegelenk stark belastet wird. Außerdem kann es bei Patienten mit Kniebeschwerden helfen, den Sattel möglichst hochzustellen, damit die Knie nicht übermäßig gebeugt werden.

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