Hüftarthrose

Weniger Todesfälle nach Oberflächenersatz?

Nach kritischen Berichten zu Metall-auf-Metall-Paarungen in der Hüftendoprothetik überrascht ein britisches Team mit einem positiven Ergebnis: In der Studie zeigte sich nach Oberflächenersatz gegenüber der klassischen Hüft-TEP ein altersunabhängiger Überlebensvorteil für die Patienten.

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Röntgenbild eines künstlichen Hüftgelenks. Die langfristigen Mortalitätsraten beim MoM-Oberflächenersat sind nach einer neuen Studie signifikant niedriger als bei TEP mit Metall-auf-Polyethylen.

Röntgenbild eines künstlichen Hüftgelenks. Die langfristigen Mortalitätsraten beim MoM-Oberflächenersat sind nach einer neuen Studie signifikant niedriger als bei TEP mit Metall-auf-Polyethylen.

© Nicolas Larento / fotolia.com

OXFORD. Toxischer Abrieb, Pseudotumoren, Schwermetalle im Blut, hohe Versagerquoten: Die Hiobsbotschaften und kritischen Kommentare zu Hüftprothesen mit Metall-auf-Metall-Gleitpaarungen (sog. MoM-Implantate) rissen in den letzten Jahren nicht ab.

Vor diesem Hintergrund überraschen die Ergebnisse einer jetzt erschienenen Studie (BMJ 2013; online 27. November).

Die langfristigen Mortalitätsraten beim MoM-Oberflächenersatz, heißt es da, seien signifikant niedriger als beim Totalersatz (TEP) mit Metall-auf-Polyethylen.

Keine niedrigere Rate an Begleiterkrankungen

Wie die Forscher um Adrian R. Kendal von der Universität Oxford betonen, lasse sich dieser Unterschied nicht etwa nur mit einer niedrigeren Rate an Begleiterkrankungen erklären, wie man sie bei der überwiegend jüngeren MoM-Klientel annehmen darf.

Der Einfluss von Komorbiditäten, Alter und Geschlecht war in der Studie rechnerisch eliminiert worden.

In der Vergangenheit hatte man zudem besonders hohe Versagerquoten bei Frauen gefunden, bei denen der Durchmesser der Hüftkopfkomponente die offenbar kritische Marke von 50 mm häufig unterschreitet. Aber auch dies hatte, wie sich herausstellte, im Hinblick auf die Mortalität offenbar keine Rolle gespielt.

Design einer retrospektiven Kohortenstudie

Die Gegenüberstellung erfolgte in Form einer retrospektiven Kohortenstudie. Zum Vergleich wurden zwei Paarungen gebildet: 7437 Patienten mit MoM-Oberflächenersatz wurden 22.311 Patienten mit zementierter Hüft-TEP gegenübergestellt; die zweite Paarung bildeten 8101 MoM-Patienten sowie 24.303 Patienten mit unzementiertem Totalersatz.

Die Ergebnisse beider Paarungen fielen zugunsten der Kappenprothese aus: Binnen zehn Jahren nach dem Eingriff waren in der ersten Gruppierung 3,6% der MoM-Patienten verstorben, dagegen 6,1% der Patienten mit zementierter Totalendoprothese.

In der zweiten Gegenüberstellung unterschieden sich die Mortalitätsraten ebenfalls, wenn auch nicht so deutlich: 3,0% (Oberflächenersatz) gegenüber 4,1% (unzementierte TEP).

Auch die Überlebenskurve nach Kaplan-Meier zeigte einen klaren Vorteil für den Oberflächenersatz: Das Risiko, innerhalb von zehn Jahren zu versterben, war bei den MoM-Patienten im Vergleich zur gesamten TEP-Gruppe nur halb so groß (HR = 0,51).

Bei Kappenprothese: Tod durch Krebs und Myokardinfarkt seltener

Unter den Todesursachen lagen Tumorerkrankungen sowie ischämische Herzerkrankungen vorn (zusammen 60%). Patienten mit Kappenprothese starben überraschenderweise sowohl am Krebs als auch am Myokardinfarkt deutlich seltener (HR = 0,58 bzw. 0,56 in Bezug auf die zementierte Hüft-TEP und 0,63 bzw. 0,56 im Vergleich mit der unzementierten Prothese).

Eine mögliche Erklärung für die erhöhte Todesrate bei Totalersatz ist den Autoren zufolge die größere Belastung während des Eingriffs. Beim Implantieren vor allem zementierter Prothesen wird gefräst, geraspelt und gepresst.

Als Folge werden immer wieder Symptome wie Hypoxie, Blutdruckabfall, erhöhter Lungengefäßwiderstand und Arrhythmien geschildert, alle zusammen eher vage unter dem Begriff "Knochenzement-Implantations-Syndrom" zusammengefasst.

In der Studie hatte sich der Unterschied in den Mortalitätsraten bereits in den ersten 90 Tagen nach der Op. abgezeichnet. Auch dies spricht dafür, dass die erhöhte Sterblichkeit bei der TEP mit dem Eingriff selbst zusammenhängt.

Unterschiede im Lebensstil könnten relevant sein

Da es sich um eine Kohortenstudie handelt, die auch noch retrospektiv durchgeführt wurde, ist das Ergebnis mit Vorsicht zu genießen. So könnten z.B. auch Unterschiede im Lebensstil oder in der perioperativen Versorgung der Patienten Einfluss genommen haben.

Angesichts der teilweise hohen Komplikationsraten müsse man im Einzelfall sorgfältig abwägen, welches Verfahren man wähle, mahnen auch die Autoren.

Letztlich bleibt nur der Verweis auf künftige randomisierte kontrollierte Studien, die klären müssen, wie sicher der Oberflächenersatz als primäres Verfahren bei symptomatischer Hüftarthrose ist. (eo)

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