Bei Senioren

Nach einem Sturz grundsätzlich ein Kopf-CT?

Ein Kopf-CT sollte bei Senioren nach einem Sturz auch dann durchgeführt werden, wenn keine nennenswerte Bewusstseinsstörung vorliegt und die Patienten hämodynamisch stabil sind. Das fordern Ärzte aufgrund einer retrospektiven Studie.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Wenn ältere Menschen stürzen, ist das besonders gefährlich.

Wenn ältere Menschen stürzen, ist das besonders gefährlich.

© toa555 - stock.adobe.com

LUBBOCK. Stürze sind bei Senioren die Hauptursache für ein Schädel-Hirn-Trauma. Aus diesem Grund werden ältere Patienten auch heute schon nach einem Sturz meist per Kopf-CT gescreent, um zu entscheiden, ob weitere (vor allem neurochirurgische) Maßnahmen erforderlich sind. Bei Patienten mit Bewusstseinsverlust, Amnesie oder Verwirrtheit in der Anamnese kann der Arzt sich bei der Indikationsstellung auf prädiktive Algorithmen stützen, etwa die Canadian CT Head Rule (CCHR) oder die New Orleans Criteria. Was aber, wenn keines dieser Kriterien vorliegt?

Medikamentöse Umstellung?

Um herauszufinden, ob die routinemäßige CT-Untersuchung bei älteren Patienten ohne Bewusstseinsstörung Sinn macht, hat ein Team der Texas Tech University retrospektiv 737 Fälle nach einem Sturz nachbeobachtet (Am J Surg 2017; online 16. September). Alle Studienteilnehmer waren mindestens 55 Jahre alt, hämodynamisch stabil und wiesen auf der Glasgow Coma Scale (GCS) einen Wert von 15 auf.

Bei 437 Patienten wurde im Anschluss an die neurologische Untersuchung ein Kopf-CT durchgeführt. Dabei zeigte sich bei jedem dritten gescreenten Patienten ein positiver Befund, worauf in 95 Fällen (knapp 22 Prozent) mit einem entsprechend geänderten therapeutischen Vorgehen reagiert wurde. 4,3 Prozent wurden neurochirurgisch behandelt, 17 Prozent erhielten auf der Grundlage des CT eine (veränderte) medikamentöse Behandlung.

Erforderliche Umstellungen in der medikamentösen Behandlung betrafen in fast allen Fällen das Absetzen von Antikoagulanzien oder Plättchenhemmern. Diese, so das Team um Dr. Rebecca Sartin, werden gerade von älteren Patienten besonders häufig eingenommen.

Von den Patienten, die ein Kopf-CT erhalten hatten, wiesen nahezu 40 Prozent klinische Symptome oder Zeichen eines Schädeltraumas auf: Sie berichteten, sich den Kopf angeschlagen zu haben, litten unter Kopfschmerzen oder zeigten sichtbare Verletzungen im Kopfbereich. Sämtliche Patienten mit einem positiven Befund im CT, bei denen eine medikamentöse Umstellung vorgenommen wurde, hatten über Kopfschmerzen geklagt oder eine Verletzung aufgewiesen. Allerdings, so Sartin und Kollegen, gab es auch viele Patienten mit negativem CT-Befund, die kleinere Verletzungen hatten oder über etwas Kopfweh berichteten; dies schränke die Spezifität der CT-Untersuchung etwas ein.

Grundsätzliches CT gefordert

Von den Patienten, die sich einer neurochirurgischen Intervention unterziehen mussten, war fast die Hälfte über 85 Jahre alt. 63 Prozent der Op-Gruppe standen unter Antikoagulanzien beziehungsweise Thrombozytenhemmern. Die Einnahme dieser Medikamente stellte jedoch überraschenderweise keinen signifikanten Risikofaktor für einen operativen Eingriff dar. Als einzige Faktoren, die signifikant mit einer neurochirurgischen Op assoziiert waren, erwiesen sich ein neurologisches Defizit bei der körperlichen Untersuchung und ein Alter über 85.

Die Autoren fordern auf der Grundlage ihrer Ergebnisse, ältere Patienten nach einem Sturz grundsätzlich einer CT-Untersuchung zuzuführen, auch dann, wenn sie hämodynamisch stabil sind und ihr GCS-Wert normal ist. Dies entspricht den gemeinsamen Leitlinien des American College of Emergency Physicians und den CDC (Centers for Disease Control and Prevention), die den CT-Scan grundsätzlich bei Patienten im Alter von 65 Jahren und darüber empfehlen, auch dann, wenn weder Bewusstseinsverlust noch Amnesie vorliegen.

Ein höheres Alter sei ein etablierter Risikofaktor für einen positiven CT-Befund und eine notwendige neurochirurgische Intervention. Dies hänge vermutlich mit einer Reihe altersbedingter Veränderungen im Gehirn zusammen: So wiesen Senioren oft eine herabgesetzte Elastizität und erhöhte Vulnerabilität der Gefäße auf. Durch die physiologische Hirnatrophie seien die venösen Strukturen zudem einer erhöhten Belastung ausgesetzt. Dies könne dazu führen, dass ältere Menschen bei intrakraniellen Blutungen und erhöhtem Hirndruck untypische neurologische Befunde zeigten und der GCS das Ausmaß der Schädigung unterschätze. Letzterer sei somit kein verlässliches Kriterium für die Durchführung eines Kopf-CT.

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