Tee, Olivenöl und Orangen

Zur Muskelkater-Prävention taugen Antioxidanzien nicht

Kann man durch die Einnahme von Antioxidanzien einem Muskelkater vorbeugen? Die Ergebnisse einer Metastudie sprechen eher dagegen.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Eine These zum Muskelkater – ob durch Joggen oder anderen Sport – geht davon aus, dass feine Muskelfaserrisse freie Radikale provozieren. Kann eine passende Nahrung davor schützen?

Eine These zum Muskelkater – ob durch Joggen oder anderen Sport – geht davon aus, dass feine Muskelfaserrisse freie Radikale provozieren. Kann eine passende Nahrung davor schützen?

© Halfpoint / stockadobe

SHEFFIELD. Der stundenlange Abstieg vom Berg ist der Klassiker: Hier müssen die Muskeln ständig Spannung aufbauen, um das "Gedehntwerden" durch äußere Kräfte abzubremsen. Eine solche "exzentrische" Muskeltätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg führt zumindest beim untrainierten Berggeher – und auch bei vielen anderen ungewohnten Aktivitäten – fast unweigerlich zum Muskelkater.

Was diesem Phänomen zugrunde liegt, ist immer noch nicht ganz geklärt. Für die häufig angeführte Ansammlung von Milchsäure gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Belege. Diskutiert werden aktuell vor allem Muskelfaserrisse mit nachfolgender Autolyse zerstörter Faseranteile, aber auch ein Temperaturanstieg in den Muskeln, entzündliche Prozesse oder Muskelspasmen.

Bei einigen dieser Prozesse werden in erhöhtem Maße freie Radikale produziert. Darauf fußt die Theorie, dass Antioxidanzien, welche als Radikalfänger wirken, möglicherweise der Entstehung von Muskelkater vorbeugen können.

Zitrusfrüchte und dunkles Obst

Ein Team der Universitäten Sheffield und Portsmouth hat diese Hypothese jetzt für die Cochrane Collaboration überprüft (Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 12. Art. No.: CD009789). Die Auswertung schließt 50 Studien – allesamt randomisiert beziehungsweise quasirandomisiert und placebokontrolliert – mit insgesamt 1089 Teilnehmern ein. Neun von zehn Teilnehmern waren männlich, das Alter lag zwischen 16 und 55 Jahren.

Berücksichtigt wurden Studien zu allen Formen der zusätzlichen (über die üblichen Ernährungsempfehlungen hinausgehenden) Antioxidanzieneinnahme, sei es in Form von Tabletten, Pulvern oder Konzentraten oder auch über die Nahrung.

Als Nahrungsmittel mit besonders hohem Antioxidanziengehalt gelten vor allem Zitrusfrüchte und dunkles Obst wie Kirschen, Blaubeeren oder rote Trauben, aber auch dunkles Gemüse, Nüsse, grüner oder schwarzer Tee sowie Olivenöl. Bei den exogenen Antioxidanzien handelt es sich chemisch gesehen um die Vitamine C und E, Polyphenole, Glutathion, Karotinoide und Koenzym Q10.

13 Studien untersuchten Antioxidanzien aus natürlichen Nahrungsmitteln, 19 ein Extrakt oder ein Antioxidanziengemisch, und in 18 Studien wurde entweder Vitamin C oder E oder beides gleichzeitig angeboten.

Meist erfolgte die Supplementation am Tag vor der Anstrengung, am Trainingstag selbst sowie am Tag danach. Patienten, die regelmäßig irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel einnahmen, waren ausgeschlossen.

Schmerzbewertung anhand der visuellen Analogskala

Die Aktivität, mit der der Muskelkater hervorgerufen werden sollte, bestand in 28 Studien aus gerätebasiertem Training (z. B. Krafttraining) und in 22 Studien aus Ganzkörpertraining wie Laufen, Fahrradfahren oder Step-Aerobic. Der Muskelschmerz wurde in den Studien überwiegend mithilfe einer visuellen Analogskala (VAS) erfasst.

Wie Dr. Mayur K. Ranchordas von der Sheffield Hallam University und sein Team berichten, ergaben die gepoolten Daten im Hauptendpunkt, dem Muskelschmerz, einen nur geringen Unterschied zugunsten der Supplementation mit Antioxidanzien.

Sowohl 6 Stunden nach dem Training als auch 24, 48 und 72 Stunden danach war in den Interventionsgruppen ein leichter Vorteil vor der jeweiligen Placebogruppe zu sehen, die mittleren Standardabweichungen (SMD) betrugen -0,30, -0,13, -0,24 und -0,19. Nach 96 Stunden war der Unterschied mit einer SMD von -0,05 nicht mehr relevant.

Qualität "mittel bis gering"

Da bei den Schmerzmessungen unterschiedliche Einheiten verwendet wurden, übertrugen Ranchordas und Kollegen die Ergebnisse in eine 10-cm-Skala. Dabei zeigte sich, dass die 95%-Konfidenzintervalle alle deutlich unter der Mindestreduktion von 1,4 cm lagen, ab der man von klinischer Bedeutsamkeit sprechen konnte. Aufgrund der Heterogenität der Studien stufen Ranchordas und seine Kollegen die Qualität der Ergebnisse als "mittel bis gering" ein.

Nebenwirkungen der Supplementation wurden nur in neun Studien erfasst, in zwei davon traten unerwünschte Effekte auf. In einer der beiden litten offenbar alle sechs Patienten, die N-Acetylcystein als Antioxidans erhalten hatten, unter – überwiegend leichter – Diarrhö, vier klagten über leichte Verdauungsbeschwerden. 41 Studien hatten Nebenwirkungen gar nicht untersucht.

Nur sehr geringe Unterschiede ergaben auch verschiedene Leistungstests, etwa Sprints auf dem Fahrradergometer oder der Sechs-Sekunden-Sprint-Test zu verschiedenen Zeitpunkten. Ähnliches galt für die Muskelkraft und die Range of Motion.

"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die gemessenen Effektstärken in der Praxis auf einen bedeutsamen Unterschied hinauslaufen", so die Forscher. Selbst mit hoch dosierten Antioxidanzien habe man in den Studien zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Reduktion des Muskelschmerzes erzielt.

Um den Nutzen von Antioxidanzien zur Vorbeugung von Muskelkater abschließend beurteilen zu können, reiche die Qualität der ausgewerteten Studien nicht aus, so das Fazit der Cochrane-Analysten. Hierfür seien standardisierte Messmethoden und einheitliche Einnahmeprotokolle erforderlich; zudem müsste man Einflussfaktoren wie die Ernährung der Teilnehmer besser berücksichtigen.

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