Metaanalyse

Kaum Evidenz für Fußorthesen bei plantarem Fersenschmerz

Bei plantaren Fersenschmerzen bringen Fußorthesen offenbar wenig, gleich welches Modell man verschreibt. Das hat nun eine große Metaanalyse aus den Niederlanden bestätigt.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Schmerzende Ferse: Der Nutzen von Orthesen bleibt unklar. Aber auch an Kortikosteroidinjektionen äußern Forscher Zweifel.

Schmerzende Ferse: Der Nutzen von Orthesen bleibt unklar. Aber auch an Kortikosteroidinjektionen äußern Forscher Zweifel.

© Robert Kneschke / stock.adobe.com

ROTTERDAM. Patienten mit plantaren Fersenschmerzen klagen oft über eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Die meist heftigen Schmerzen hindern sie an vielen Aktivitäten des Alltags. Entsprechend groß ist der Leidensdruck: Der Arzt soll möglichst schnell etwas unternehmen, um die Schmerzen zu stoppen.

Mit einer Fußorthese ist dem Patienten aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geholfen. Bereits 2008 hatte eine Cochrane-Analyse dem Verfahren "unzureichende Evidenz" attestiert. Dies wird nun durch eine aktuelle Auswertung von 20 randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 1756 Patienten bestätigt (Br J Sports Med 2018; online 19. März).

Breites Spektrum an Orthesen

Das Spektrum der in den einzelnen Studien verwendeten Orthesenmodelle war breit; insgesamt kamen acht verschiedene Typen zum Einsatz, die wiederum mit insgesamt zehn verschiedenen Kontrollinterventionen verglichen wurden: Zu Letzteren gehörten neben Scheininterventionen auch das Stretching, Kortikosteroidinjektionen oder verschiedene Schuhtypen wie Flip Flops oder Sandalen.

Die Heterogenität der Studien war insgesamt hoch. Den Forschern um Nadine Rasenberg vom Erasmus Medical Center in Rotterdam gelang es immerhin, die Daten aus sechs Studien gemeinsam auszuwerten. Daraus ergaben sich für die verschiedenen Effekte relativ enge Konfidenzintervalle, was den Wissenschaftlern zufolge für einigermaßen präzise Schätzungen spricht.

Die Quintessenz aus der gepoolten Analyse: kein signifikanter Unterschied zwischen vorgefertigten oder auch maßgeschneiderten Orthesen und sogenannten "Schein"-Orthesen, die den echten Modellen nur äußerlich glichen, aber keine wirkliche Entlastung bewirkten. Dieses Ergebnis bezieht sich auf die Endpunkte "Schmerzen" und "Funktion" in einem Zeitrahmen von bis zu drei Monaten.

In einer einzelnen Studie, die vorgefertigte Modelle mit Schein-Orthesen verglichen hatte, hatte sich die Funktion mit dem echten Modell zwar kurzfristig signifikant stärker gebessert, allerdings war dieser Unterschied nach einem Jahr wieder verschwunden.

Schwierige Verblindung

Rasenberg und ihr Team führen an, dass es in diesem Zusammenhang schwierig gewesen sein dürfte, die Patienten zu verblinden. Außerdem müsse man davon ausgehen, dass auch eine "Schein"-Orthese zumindest einen gewissen mechanischen Effekt ausübe.

Zudem dürfte es bei der Indikationsstellung erhebliche Unterschiede zwischen den beteiligten Praxen und Kliniken gegeben haben. Erstere hängt den Autoren zufolge stark von der Vorliebe der Patienten für die eine oder andere Maßnahme, aber auch von den jeweiligen Kosten ab.

In immerhin zehn Studien zeigten sich zwar statistische Unterschiede zu irgendeinem Zeitpunkt im gesamten Verlauf (untersucht wurden Zeiträume bis zu drei Monaten, zwischen drei und zwölf Monaten sowie länger als zwölf Monate), allerdings fehlte laut Rasenberg und seinen Kollegen zumeist die klinische Relevanz. Acht der untersuchten Studien waren von vornherein beeinträchtigt durch ein erhebliches Verzerrungsrisiko.

Zahlreiche Einzelstudien hatten sich dem Vergleich verschiedener Orthesenmodelle untereinander oder mit anderen konservativen Maßnahmen gewidmet, zum Beispiel Kortikosteroidinjektionen, nächtliche Verbände, chiropraktische Maßnahmen, Dehnübungen oder das Tragen von Flip Flops oder Sandalen; hier war jedoch häufig die Teilnehmerzahl zu gering gewesen, um eine verlässliche Aussage zu treffen, oder es hatte andere methodische Mängel gegeben. Den meisten dieser Studien war vor allem eines gemein: dass sie keinerlei Vorteil für irgendein Verfahren erbracht hatten.

In früheren Studien hatten sich die Symptome bei 80 Prozent der Patienten ungeachtet der Behandlungsmethode nach zwölf Monaten vollständig zurückgebildet, so die Studienautoren um Rasenberg. Es gebe jedoch auch Autoren, die berichten, dass mehr als 40 Prozent der Betroffenen zwei Jahre nach dem erstmaligen Auftreten immer noch unter Beschwerden leiden.

Zuwarten allein hilft oft nichts

Durch Zuwarten allein lässt sich das Problem in vielen Fällen nicht lösen. Die niederländischen Wissenschaftler äußern allerdings explizit Zweifel am Nutzen der Injektionstherapie mit Kortikosteroiden: Zwei der in der Metaanalyse eingeschlossenen Untersuchungen hätten gezeigt, dass deren Effekt langfristig nicht größer sei als der einer Orthese; dabei müsse man auch die Schäden berücksichtigen, die man mit der lokalen Verabreichung von Kortikoiden möglicherweise bewirke.

Zu ergänzen ist, dass keine der Studien aus der Metaanalyse die Orthese mit der Variante "keine Therapie" verglichen hatte. Insofern bleibt der Zusatznutzen der Fußorthese beim plantaren Fersenschmerz bis auf Weiteres unklar. Für Rasenberg und Kollegen ist es daher nur konsequent zu fordern, dass Orthopäden sich beim Verschreiben von Orthesen bei dieser Indikation eher zurückhalten sollten.

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