Rückenmark-Stimulation

Ein Gelähmter kann wieder gehen

Obwohl er querschnittgelähmt ist, konnte ein Mann wieder einige Schritte gehen - dank der elektrischen Rückenmark-Stimulation. Von Heilung wollen die Mediziner aber nicht sprechen.

Von Stefan Parsch Veröffentlicht:
Rückenmark: Verletzungen bleiben irreversibel.

Rückenmark: Verletzungen bleiben irreversibel.

© arsdigital.de / Fotolia

ROCHESTER. Ein Gelähmter kann mit etwas Hilfe wieder einige Schritt gehen. Was nach einem biblischen Wunder klingt, ist Forschern um Dr. Kendall Lee und Dr. Kristin Zhao an der Mayo Clinic in Rochester im US-Staat Minnesota gelungen.

Mit elektrischer Rückenmark-Stimulation und 43 Wochen Rehabilitationstherapie konnte der Patient mit 331 Schritten 102 Meter zurücklegen.

Allerdings benötigte er dafür einen Rollator und eine Unterstützung an der Hüfte durch einen Therapeuten (Nature Medicine 2018; online 24. September).

Mit der elektrischen Rückenmark-Stimulation versuchen Mediziner, die bei der Querschnittlähmung verletzte Stelle des Rückenmarks zu überbrücken.

Bei dem Patienten in der Studie war das Rückenmark nicht vollständig durchtrennt. Deshalb wollten die Forscher herausfinden, wie weit sie mit einer Rückenmark-Stimulation kommen würden.

Aufgabenspezifische Stimulation

Die Mediziner gaben Elektroimpulse in verschiedene Beinmuskeln. Dabei entdeckten sie, dass ein einzelnes Stimulationsmuster nicht ausreicht. Sie entwickelten zwei unterschiedliche Muster, die so miteinander verzahnt wurden, dass der Patient die verschiedenen Phasen eines Schritts meistern konnte.

"Nach unserem Wissen ist die Verwendung der elektrischen Rückenmark-Stimulation während des aufgabenspezifischen Trainings, einschließlich Steh- und Schrittaktivitäten, neu", schreiben die Forscher.

Erforderlich seien nun weitere Untersuchungen mit einer größeren Zahl von Probanden, um deren Gültigkeit und Wirksamkeit zu bestimmen.

Unbeteiligte Mediziner reagierten skeptisch: Professor Norbert Weidner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Paraplegiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, hält die Studie prinzipiell für gut gemacht.

Der beobachtete Effekt sei wissenschaftlich allemal interessant, aber auch mit den gezeigten Fortschritten könne der Patient nicht seinen Alltag meistern.

Zudem sei es eher eine Fallbeschreibung, da nur ein Patient an der Studie beteiligt gewesen sei. "Es ist zudem ein spezieller Patient, sodass fraglich ist, inwiefern andere querschnittgelähmte Patienten in gleicher Weise trainiert werden können", sagte er der Nachrichtenagentur "dpa".

Problematisch sei auch, dass es keine Rückkopplung über die Stellung der Beine im Raum ans Gehirn gebe, was für das sichere Gehen notwendig sei.

Bei nicht vollständig Gelähmten, die unterhalb der verletzten Stelle am Rückenmark zumindest noch Bewegungen ausführen können, sieht Weidner ein größeres Potenzial für diesen Heilungsansatz.

Erfolg im Alltag fraglich

Auch die Neurochirurgin Jocelyne Bloch vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne (Schweiz) ist vom Ergebnis der Studie nicht ganz überzeugt.

"Der Patient kann mit viel Hilfe ein paar Schritte gehen – aber es gab keine neurologische Heilung", sagte sie.

"Doch im Labor einige Schritte zu tun, bedeutet nicht, dass das auch zu Hause klappt. Wir sollten wortwörtlich einen Schritt zurücktreten und die Ergebnisse in der Realität betrachten." (dpa)

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