Immunsystem

Stress stört die Knochenheilung

Chronischer psychosozialer Stress behindert die Heilung von Frakturen, wie Forscher herausgefunden haben. In ihrer Studie konnten sie auch einen potenziellen Therapieansatz ausfindig machen.

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Abstrakte Darstellung eines Skeletts: Knochbrüche heilen einer Tierstudie nach schlechter, wenn der Organismus unter Dauerstress steht.

Abstrakte Darstellung eines Skeletts: Knochbrüche heilen einer Tierstudie nach schlechter, wenn der Organismus unter Dauerstress steht.

© ThorstenSchmitt / stock.adobe.com

ULM. Wenn Knochen brechen, dauert es ja schon im Normalfall Wochen, bis diese wieder verheilt sind. Ein Forscherteam der Universität Ulm hat nun gemeinsam mit Fachkollegen aus Kalifornien herausgefunden, dass chronischer psychosozialer Stress die Knochenheilung massiv behindert (PNAS 2019; online 4. April).

In der Studie konnten sie zudem zeigen, dass sich diese stressbedingten Knochenheilungsstörungen mit Hilfe des Betablockers Propranolol beheben lassen, wie die Universität Ulm mitteilt. Dieser blockiere die Kommunikation von Stresshormonen des sympathischen Nervensystems mit Immunzellen und verhindere damit eine stressvermittelte Überreaktion des Immunsystems.

Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) sind deutlich häufiger von chronisch-entzündlichen Erkrankungen betroffen und haben zudem ein viel höheres Frakturrisiko, heißt es in der Mitteilung der Universität. „Wir haben uns deshalb gefragt, ob sich ein solches Stresssyndrom auch negativ auf die Frakturheilung auswirkt“, wird Professor Stefan Reber von der Ulmer Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie zitiert.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun einen zentralen molekularen Mechanismus aufgedeckt, der die Wirkung von chronischem Stress auf das Immunsystem und die Regeneration von Knochengewebe vermittelt. Über die Blockade dieses Signalwegs ließ sich die Frakturheilungsstörung schließlich sogar medikamentös aufheben.

Störung immunologischer Prozesse

„Bricht sich jemand das Bein, treten kurz danach an der Bruchstelle lokale Immunreaktionen auf. Der Körper sondiert sozusagen die Lage und beseitigt schadhaftes Gewebe. Mit der Zeit überwachsen Knochenzellen den bruchbedingten Spalt und der Bruch heilt ab“, erinnert Professor Anita Ignatius, eine der Autoren.

Bei langanhaltendem Stress kommt es jedoch zu Störungen dieser akuten immunologischen Prozesse und zu einem Überschießen der Entzündungsreaktion. So entwickeln sich einerseits im Knochenmark vermehrt Immunzellen wie Neutrophile Granulozyten, die an der Bruchstelle in die dort entstandenen Hämatome einwandern.

Andererseits ist die Umwandlung von Knorpel zu Knochen und damit die Knochenneubildung gestört, wie sich in der Ulmer Studie zeigte. Die Biegesteifigkeit der Knochen nimmt messbar ab, und das neu gebildete Knochengewebe an der Bruchstelle wird nicht mehr so hart.

Mausmodell für PTBS

Ein weiterer Befund der Untersuchung: Die überschießende Immunreaktion und die Störung der Geweberegeneration wird über einen molekularen Signalweg vermittelt, an dem ß-Adrenozeptoren beteiligt sind, heißt es weiter in der Mitteilung. Es besteht also eine Verbindung zum sympathischen Nervensystem.

„Dieser Adrenalin-vermittelte Signalweg konnte durch die Gabe von Propranolol unterbrochen werden. Damit normalisierten sich nicht nur die Immunreaktionen, sondern auch die Knochenheilung verlief wieder ungestört“, fasst Autorin Dr. Melanie Haffner-Luntzer das Ergebnis der Studie zusammen.

Zum Einsatz kam in diesem Projekt ein Mausmodell für chronischen psychosozialen Stress. Hierfür wurden männliche Mäuse 19 Tage lang gemeinsam in einem Käfig gehalten. Die von Unterordnung und Dominanzverhalten geprägten sozialen Interaktionen bedeuten für die Männchen ein hohes Maß an Stress. Dieses sogenannte „chronic subordinate colony housing“ (CSC) Modell gilt auch als präklinisch validiertes Mausmodell für PTBS.

„Die grundlegenden Erkenntnisse aus dieser neuen Studie bringen nicht nur Licht in das komplexe Wechselspiel zwischen Nervensystem, Immunsystem und Geweberegenation. Sie werden sicherlich auch dabei helfen, Knochenbrüchen bei Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen wirkungsvoller zu behandeln“, sind sich die Forscher einig. Dies können schwerverletzte Verkehrsunfallopfer sein oder Soldaten aus Kriegseinsätzen. (eb)

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