Polydaktylie

Zusätzlicher Finger bringt Vorteile

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FREIBURG. Welche Bewegungsfertigkeiten besitzen Menschen mit Polydaktylie und wie sehen deren sensomotorische Hirnregionen aus? Das haben Wissenschaftler in einer Fallstudie untersucht (Nat Commun 2019; online 3. Juni).

Die Forscher zeigen, dass ein zusätzlicher Finger die Bewegungsfähigkeiten der jeweiligen Hand deutlich erweitern kann, teilt die Uni Freiburg mit. So seien Menschen mit sechs Fingern in der Lage, Bewegungen mit nur einer Hand auszuführen, für die Menschen mit fünf Fingern beide Hände benötigen.

Die erweiterten motorischen Fähigkeiten werden durch spezialisierte Areale in den sensomotorischen Hirnregionen ermöglicht. Die neuen Erkenntnisse könnten als Grundlage für die Entwicklung von zusätzlichen künstlichen Gliedmaßen dienen.

Verhaltensexperimente durchgeführt

Die Forscher aus Freiburg, London und Lausanne untersuchten in ihrer Fallstudie zwei Probanden, die an beiden Händen jeweils einen zusätzlichen Finger zwischen Daumen und Zeigefinger voll ausgebildet haben. Sie ließen sie mehrere Verhaltensexperimente ausführen und beobachteten mittels funktionaler MRT die Hirnaktivität.

Die Ergebnisse zeigen, dass die zusätzlichen Finger mithilfe von eigenen Muskeln und Nerven bewegt werden. Dadurch können die Personen sie weitestgehend unabhängig von allen anderen Fingern bewegen.

"Unsere Probanden können ihre zusätzlichen Finger frei einsetzen, ähnlich wie einen weiteren Daumen – und das allein oder zusammen mit den anderen fünf Fingern. Dadurch können sie ihre Hand außergewöhnlich vielseitig und geschickt nutzen", fasst Erstautor Professor Carsten Mehring die Ergebnisse in der Mitteilung zusammen.

"Zum Beispiel können sie in unseren Versuchen eine Bewegungsaufgabe mit nur einer Hand ausführen, für die andere Menschen normalerweise zwei Hände benötigen."

"Keine Nachteile festgestellt"

"Obwohl das Gehirn diesen höheren Freiheitsgrad kontrollieren muss, haben wir keine Nachteile festgestellt im Vergleich zu Menschen mit fünf Fingern. Kurz gesagt, es ist erstaunlich, dass das Gehirn genug Kapazität dafür hat, ohne an anderer Stelle etwas opfern zu müssen", wird Professor Etienne Burdet, einer der Autoren, zitiert.

Die vorliegende Studie könnte die Entwicklung von zusätzlichen künstlichen Gliedmaßen zur Erweiterung von Bewegungsfähigkeiten vorantreiben – beispielsweise einen zusätzlichen Arm, der es erleichtert, alleine statt mit einem Assistenten zu arbeiten oder der es Chirurgen ermöglicht, Operationen ohne Assistenz auszuführen, heißt es in der Mitteilung der Uni Freiburg.

Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass Menschen mit Polydaktylie den Umgang mit ihren zusätzlichen Gliedmaßen von Geburt an gelernt haben. Das bedeute, dass eine ähnliche Funktionalität nicht zwingend erreicht werden kann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt im Leben künstliche Gliedmaßen ergänzt werden.

Dennoch eröffneten Menschen mit Polydaktylie eine einzigartige Chance, die neuronale Kontrolle zusätzlicher Gliedmaßen und die Möglichkeiten sensomotorischer Fertigkeiten zu analysieren. (eb)

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