Ältere Menschen mit Osteoporose brauchen Fraktur-Prophylaxe

In Deutschland haben derzeit etwa sechs Millionen ältere Patienten eine Osteoporose. Dank der Fortschritte der Pharmakotherapie während der letzten Jahrzehnte sieht man Patienten mit dem typischen osteoporotischen Rundrücken im Vergleich zu früher seltener. Denn durch eine wirksame Therapie läßt sich die Frakturrate heute deutlich senken. Zwei neue Präparate erweitern zudem die Therapieoptionen.

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Ulrike Maronde

Behandlungsziel bei älteren Menschen mit Osteoporose ist, die Knochen zu stabilisieren und damit Frakturen vorzubeugen. Frakturen führen nicht nur zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, es besteht auch die Gefahr, daß die Betroffenen dauerhaft pflegebedürftig werden. Durch kalziumreiche Ernährung, körperliche Aktivität und eine Osteoporose-spezifische medikamentöse Therapie läßt sich die Progression der Erkrankung bremsen.

In den vergangenen beiden Jahren sind die Möglichkeiten der medikamentösen Osteoporose-Therapie durch die Zulassung zweier neuer Wirkstoffe - Teriparatid und Strontiumranelat - erweitert worden. Beide Medikamente sind in den 2003 publizierten Osteoporose-Leitlinien der DVO (Dachverband Deutschsprachiger Wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie) noch nicht berücksichtigt. Aktualisierte Leitlinien sollen nach Angaben von Professor Johannes Pfeilschifter vom Evangelischen Krankenhaus Lutherhaus in Essen, der der Leitlinienkommission angehört, bis etwa im Juni fertiggestellt und veröffentlicht werden.

Mit Teriparatid weniger Wirbelfrakturen

Das osteoanabol wirkende Parathormonfragment Teriparatid (Forsteo®) in der Dosierung von einmal täglich 20 µg subkutan ist für Frauen in der Postmenopause mit manifester Osteoporose, also mit bereits vorliegenden Frakturen, für eine Therapiedauer von 18 Monaten zugelassen. Es stimuliert die Bildung von Knochengewebe an trabekulären und kortikalen Knochenoberflächen, verbessert durch den Aufbau neuer Trabekel die Knochenstabilität und wirkt somit Frakturen entgegen.

In Studien belegt ist eine signifikante Reduktion von Wirbelfrakturen, etwa in der randomisierten Placebo-kontrollierten FPT-Studie (Fracture Prevention Trial) mit 1637 Frauen in der Postmenopause, bei denen es bereits zu Wirbelfrakturen gekommen war.

Mit Teriparatid zusätzlich zur Basistherapie aus Kalzium und Vitamin D lag die Rate von vertebralen Frakturen nach im Mittel 18 Monaten Therapie um 65 Prozent (14 vs. 5 Prozent) unter der mit Placebo. Das relative Risiko für nicht-vertebrale Frakturen verringerte sich um 53 Prozent, der Unterschied war aber nicht signifikant (N Engl J Med 344, 2001, 1434).

Die Nachbeobachtung der Studienteilnehmerinnen über weitere 18 Monate hat ergeben, daß das Frakturrisiko auch nach Beendigung der Therapie mit Teriparatid erniedrigt bleibt: Bei 1262 der 1637 Patientinnen der FPT-Studie konnten nach 18 Monaten Frakturrate und Knochendichte bestimmt werden. Ein Teil der Frauen, besonders die der ehemaligen Placebo-Gruppe, aber auch Patientinnen der Verum-Gruppe, sind während dieser Zeit mit anderen Osteoporose-Medikamenten weiterbehandelt worden.

Unabhängig von der Weiterbehandlung kam es bei den Frauen, die zuvor die Teriparatidtherapie erhalten hatten, signifikant seltener zu Wirbelfrakturen als bei denjenigen der Placebo-Gruppe (19 vs. 11 Prozent). Dies entspricht einer Reduktion des relativen Risikos um 41 Prozent.

Besonders das relative Risiko für mittelschwere und schwere Wirbelfrakturen nach 18 Monaten Nachbeobachtung wurde mit 57 Prozent im Vergleich zu Placebo deutlich vermindert. Solch schmerzhafte Ereignisse traten bei 4,3 Prozent der Frauen der ehemaligen Teriparatid-Gruppe, jedoch bei 9,9 Prozent der Patientinnen der ehemaligen Placebo-Gruppe auf (Arch Intern Med 164, 2004, 2024).

Der zweite neue Wirkstoff - das Strontiumranelat (Protelos®) - steigert den Knochenaufbau und hemmt die Knochenresorption, erhöht somit also die Knochenfestigkeit. In Studien wurde deutlich, daß die Substanz zusätzlich zur Kalzium - / Vitamin-D-Basistherapie die Häufigkeit von Wirbel- und Hüftfrakturen senkt.

In der SOTI-Studie (Spinal Osteoporosis Therapeutic Intervention) mit 1442 Patientinnen in der Postmenopause, die bereits mindestens eine Wirbelfraktur hatten, war die Rate neuer Wirbelbrüche durch die Therapie mit täglich zwei Gramm Strontiumranelat oral nach drei Jahren um 41 Prozent geringer als in der Placebo-Gruppe (32,8 vs. 20,9 Prozent), ein signifikanter Unterschied. Der positive Effekt der Substanz wurde bereits im ersten Studienjahr deutlich, es kam zu 49 Prozent (6,1 vs. 11,8 Prozent) weniger Wirbelfrakturen (N Engl J Med 350, 2004, 459).

Zu ähnlichen Ergebnissen kam es in der TROPOS-Studie (Treatment of Peripheral Osteoporosis) bei 5091 Patinnen in der Postmenopause. Während der dreijährigen Studiendauer erlitten 12,5 Prozent der Patientinnen eine Wirbelkörperfraktur, in der Placebo-Gruppe waren es 20 Prozent. Dies entspricht einer signifikanten Risikoreduktion von 39 Prozent.

Auch die Häufigkeit von Hüftfrakturen nahm unter Therapie ab. Bei den Patientinnen, die mindestens 74 Jahre alt waren und für die die Knochendichtemessung ein hohes Frakturrisiko ergeben hatte, lag die Inzidenz von Hüftfrakturen unter der Therapie mit Strontiumranelat um 36 Prozent niedriger als unter Placebo (4,3 vs. 6,4 Prozent), der Unterschied war allerdings nicht signifikant.

An beiden Studien hatten 1556 über 80jährige Patientinnen (23 Prozent) teilgenommen. Wie die Analyse der Daten dieser Altersgruppe ergeben hat, war die Therapie mit Strontiumranelat auch hier gut wirksam: Nach drei Jahren war es bei 19,1 Prozent mit dem Präparat zu neuen Wirbelfrakturen gekommen, in der Placebo-Gruppe dagegen bei 26,5 Prozent - ein relativer Unterschied von 32 Prozent.

Im Vergleich zu den bereits länger zugelassenen Osteoporose-Medikamenten seien die Therapieerfolge mit den beiden neuen Präparaten ähnlich, sagte Pfeilschifter im Gespräch mit "Forschung und Praxis". Ergebnisse aus Vergleichsstudien liegen noch nicht vor, mehrere Studien hierzu seien aber am Laufen, so Pfeilschifter.

Lesen Sie dazu auch: Bei Osteoporose sind Bisphosphonate und Raloxifen erste Wahl

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