Altersmedizin

FORTA hilft beim Aussortieren von Arzneien

Altersmedizin gewinnt im Alltag zunehmend an Bedeutung. Bei der Priorisierung von Krankheiten und der Medikamentenauswahl hilft das FORTA-Konzept.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Geriater sollten die Therapie so auswählen, dass Lebensqualität und Funktion erhalten bleiben.

Geriater sollten die Therapie so auswählen, dass Lebensqualität und Funktion erhalten bleiben.

© Alexander Raths / Fotolia

NEU-ISENBURG. Angesichts von derzeit 17 Millionen Menschen über 65 Jahre fordert die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) mehr Altersmediziner in den Kliniken. "Ältere Patienten unterscheiden sich in vielen Punkten von den jüngeren", sagt Professor Cornel Sieber, Geriater am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg und neuer Vorsitzender der DGIM.

"Wir Geriater betrachten die Krankheiten in ihrem Zusammenspiel", wird Sieber in einer Pressemitteilung der DGIM zitiert. Dazu gehörten besondere Kenntnisse zur Wechselwirkungen von Arzneimitteln, zumal häufig fünf oder mehr Wirkstoffe eingenommen werden. Sieber: "Als Geriater muss ich die Behandlung so auswählen, dass dem Patienten in seinem noch verbleibenden Leben möglichst viel Lebensqualität und Funktion erhalten bleibt." Zu unterscheiden sind demnach Medikamente, von denen betagte Patienten kurz- bis mittelfristig profitieren, etwa bestimmte Wirkstoffe gegen Osteoporose. Die Einnahme von Medikamenten, die auf einen langfristigen Nutzen ausgelegt sind, müsse hingegen überdacht werden, meint Sieber. So könnten Betablocker nach Herzinfarkt Schwindel und Sturzgefahr begünstigen.

Hilfreich bei der Priorisierung von Krankheiten und der richtigen Auswahl von Medikamenten kann das FORTA-Konzept sein. FORTA steht für "Fit for the Aged" und ist von dem Heidelberger Pharmakologen Professor Martin Wehling gemeinsam mit Experten, darunter vielen Geriatern, entwickelt worden. Indikationsbezogen werden dort Arzneimittel in vier Gruppen von A wie absolut unverzichtbar bis D wie "Don't", also zu vermeiden, klassifiziert. Für die erwähnte Osteoporose wird laut FORTA-Liste generell ab dem 65. Lebensjahr die Grundergänzung mit Kalzium und Vitamin D empfohlen – Kalzium bevorzugt über die Nahrung. Als absolut unverzichtbar gelten parenterale Bisphosphonate, Denosumab und bei Frauen Raloxifen. Orale Bisphosphonate haben noch ein B erhalten, alle anderen Medikamente sind für geriatrische Patienten lediglich mit C oder D eingestuft worden.

Betablocker sind dagegen in der FORTA-Liste je nach Indikation unterschiedlich bewertet worden: Sind frequenzsenkende Betablocker bei Vorhofflimmern mit A bewertet, erhalten sie als chronische Therapie nach Herzinfarkt über drei Jahre nur ein B bis C. Auch bei arterieller Hypertonie sind Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems den Betablockern eher vorzuziehen. Auf diese Weise kann über Therapiebereiche hinweg eine Priorisierung der individuellen Arzneimittelliste vorgenommen werden.

Der Geriater Privatdozent Andrey Zeyfang aus Ostfildern-Ruit, der zum FORTA-Expertengremium gehört, empfiehlt, die als App verfügbare Liste auf das Handy herunterzuladen. Auf diese Weise habe man die Liste stets griffbereit in der Kitteltasche. Zeyfang: "Mit Hilfe der Liste vergewissern wir uns im Zweifelsfall, ob es für ein Krankheitsbild eine Empfehlung gibt, wie stark diese ist und ob es eine Gegenempfehlung gibt."

Die FORTA-Liste ist auf der Homepage der Universität Heidelberg als PDF-Datei sowie als kostenlose Android-App verfügbar.

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