HINTERGRUND

Umdenken für Ulkus-gefährdete Kranke- statt NSAR plus magenschützender Begleittherapie ein Coxib!

Von Professor Peter Müller und Professor Bernd Simon Veröffentlicht:

Die gastrointestinale Verträglichkeit ist der entscheidende Schwachpunkt einer Therapie mit herkömmlichen Antirheumatika (NSAR): 30 bis 50 Prozent der Patienten entwickeln gastrointestinale Symptome wie Dyspepsie, Übelkeit oder Völlegefühl, 15 bis 20 Prozent peptische Ulzera, 2 bis 3 Prozent Ulkuskomplikationen wie Blutung und Perforation.

Seit einigen Jahren weiß man auch, daß NSAR nicht nur den oberen, sondern auch den unteren Gastrointestinaltrakt schädigen können. So wurde über Ulzerationen, Perforationen und Strikturen in Dünn- und Dickdarm berichtet, aber auch über Exazerbationen einer inaktiven Divertikel- oder entzündlichen Darmkrankheit.

Zwei Möglichkeiten, Risikopatienten zu schützen

Besonders gefährdet sind ältere Patienten, solche mit Ulkus- oder Blutungsanamnese sowie Patienten, die längere Zeit höhere NSAR-Dosen oder gleichzeitig Kortison einnehmen. Das Risiko gastrointestinaler Blutungen wird dramatisch erhöht, wenn mehr als ein Risikofaktor vorliegt. Selbst in Zeiten knapper Finanzen empfehlen die Fachgesellschaften überall in der Welt, derartigen Risikopatienten entweder gleichzeitig zum NSAR eine säurehemmende Substanz oder Misoprostol, oder einen COX-2-Hemmer zu geben.

Welche Argumente sprechen für eine Kombinationstherapie, welche für eine Monotherapie mit Coxiben? Letztere sind selektive Hemmstoffe des COX-2-Enzyms, das vor allem bei Entzündungsvorgängen gebildet wird. Die Aktivität des für die Integrität der Magen- und Darmschleimhaut nötigen COX-1-Enzyms wird dadurch nicht tangiert.

Dies bedeutet aber auch, daß die Thrombozytenaggregation durch derartige Substanzen nicht beeinflußt wird - ein häufig übersehener Nebeneffekt herkömmlicher NSAR, der die Blutungsneigung aus Schleimhautläsionen fördert.

Studien haben ergeben, daß nur Protonenpumpenhemmer (PPH) und das PGE1-Analogon Misoprostol wirksam NSAR-induzierte Ulzera in Magen und Duodenum verhindern können. Für Misoprostol, nicht jedoch für PPH konnte in der MUCOSA-Studie auch eine blutungsverhindernde Wirkung am oberen Gastrointestinaltrakt gezeigt werden. Wegen der relativ hohen Nebenwirkungsrate (etwa Durchfälle, Bauchkrämpfe) hat sich Misoprostol in den europäischen Ländern nicht durchsetzen können.

Seinen Part spielen jetzt die deutlich nebenwirkungsärmeren PPH, die meist in der Einmaldosierung eingesetzt werden. Die in Deutschland immer noch häufig angewandten H2-Blocker sind nur in supratherapeutischen Dosen (zum Beispiel 2 x 300 mg Ranitidin täglich) in dieser speziellen Indikation wirksam.

Trotz dringlicher Empfehlung der Fachgesellschaften geht aus Untersuchungen hervor, daß über 80 Prozent aller Gefährdeten, einschließlich derer mit mehreren Risikofaktoren, überhaupt keine Magenschutztherapie erhalten.

Gravierender Nachteil einer säurehemmenden Begleittherapie ist allerdings, daß ihr Schutzeffekt spätestens am Treitz’schen Band endet. NSAR-induzierte Schäden an Dünn-und Dickdarm können daher nicht wirkungsvoll verhindert werden. Da derartige Läsionen häufiger vorkommen als bislang angenommen, ist diese begrenzte Wirksamkeit ein nicht zu unterschätzender Nachteil.

Ein weiteres Handicap einer antisekretorischen Begleittherapie besteht darin, daß Patienten meist nur bei Beschwerden zu einem PPH greifen. Sie verlieren damit den wichtigen Begleitschutz - weiß man doch, daß Ulzera oder Blutungen durch NSAR meist aus heiterem Himmel auftreten.

Auch nimmt die Therapietreue bei länger dauernder NSAR-Therapie stark ab: Niederländische Autoren zeigten, daß bei der Erstverschreibung noch nahezu 90 Prozent ihre Begleittherapie einnahmen. Dieser Prozentsatz sank nach der zweiten und dritten Verschreibung auf 50 und 40 Prozent.

In einer jüngst publizierten Studie war eine Monotherapie mit Coxiben bei Hochrisikopatienten zur Verhinderung einer Rezidivblutung mindestens ebenso wirksam wie die Kombinationstherapie aus Diclofenac plus Omeprazol. In Studien senkten Coxibe ferner das Risiko von neuen Ulzera und Ulkusblutungen im Vergleich zu herkömmlichen NSAR um 50 bis 60 Prozent. Dies gilt offensichtlich auch für den Dünndarm, wie aus einer Subgruppenanalyse der VIGOR-Studie (Vioxx Gastrointestinal Outcomes Research) hervorgeht.

Coxib-Monotherapie ist kein Kosten-Problem

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Videoendoskopie-Studien des Dünndarms. Dabei schneidet der COX-2-Hemmer Celecoxib signifikant besser ab als die Kombination aus Naproxen und Omeprazol.

Somit dürfte eine Monotherapie mit Coxiben eine höhere gastrointestinale Sicherheit aufweisen als die Kombination aus herkömmlichen NSAR plus PPH.

Aufgrund dieser neuen Daten zeichnet sich ein Paradigmenwechsel in der Behandlung von NSAR-Patienten mit erhöhtem gastrointestinalen Risiko ab: Weg von einer Kombinationsbehandlung und hin zu einer Monotherapie mit Coxiben.

Kostenbedenken, die von den KVen immer wieder ins Feld geführt werden, sind dabei unzutreffend. Selbst im Zeitalter der Omeprazol-Generika ist eine Kombinationsbehandlung ähnlich teuer wie eine Monotherapie mit Coxiben - ganz zu schweigen von den indirekten Folgekosten. In den USA, wo Schadenersatzklagen gegen Ärzte und pharmazeutische Unternehmen an der Tagesordnung sind, machen Coxibe bereits mehr als 50 Prozent der NSAR-Verschreibungen aus!

Professor Peter Müller ist Oberarzt an der Med. Klinik am Krankenhaus Salem in Heidelberg, Professor Bernd Simon ist Chefarzt der Inneren Abteilung und Ärztlicher Direktor am Kreiskrankenhaus Schwetzingen.

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