Rheumatologie 2010: große Fortschritte, aber anhaltende Versorgungsdefizite

BERLIN (eb). Etwa 1,5 Millionen Erwachsene und 15 000 Kinder in Deutschland leiden an entzündlichem Rheuma. In den vergangenen 20 Jahren hat sich in der Versorgung der Betroffenen viel getan: Neue Erkenntnisse über die immunologischen Mechanismen, die der Krankheit zugrunde liegen, haben die therapeutischen Optionen grundlegend verändert.

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Es gibt derzeit nur halb soviele Rheumatologen, wie nötig wären. Das führt zu Wartezeiten von mehreren Monaten und zum Teil sehr langen Anfahrtswegen für Patienten.

Es gibt derzeit nur halb soviele Rheumatologen, wie nötig wären. Das führt zu Wartezeiten von mehreren Monaten und zum Teil sehr langen Anfahrtswegen für Patienten.

© sebastian kaulitzki / fotolia.com

Viele Patienten haben damit heute große Chancen auf ein beschwerdefreies Leben. Doch diese Entwicklung kommt trotz Riesenschritten in der Forschung nur bei einem Bruchteil der Patienten an. Der Grund ist: Es gibt zu wenig Rheumatologen und kaum Nachwuchs. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) anlässlich des Welt-Rheumatages 2010 hin.

"Der größte Fortschritt in der Rheumatherapie war sicher die Entdeckung der Ursachenmoleküle im Immunsystem vor etwa zehn Jahren und die Entwicklung der darauf abzielenden Medikamente", sagt DGRh-Präsident Professor Wolfgang Rüther in einer Mitteilung der DGRh. Doch auch vorher habe sich schon einiges verändert: Waren in den 80er Jahren noch Acetylsalicylsäure und Bäderkuren Mittel der Wahl, gab es zehn Jahre später schon differenzierte Therapiestrategien.

Ärzte nutzen erstmals Medikamente, die nicht nur Schmerzen und Schwellung linderten, sondern auch Gelenkzerstörung und Deformationen verzögerten. Heute können viele Rheumakrankheiten durch hochwirksame Medikamente gestoppt (Remission) oder deutlich gebessert werden. Dadurch sind Betroffene heute seltener arbeitsunfähig oder werden weniger häufig erwerbsunfähig als noch vor wenigen Jahren.

Trotz aller Fortschritte steckt die Rheumatologie in Deutschland bei der Versorgung und Forschung in einem Engpass. Das liegt vor allem an der geringen Zahl an Rheumatologen in der ambulanten Versorgung und an den unzureichenden universitären Strukturen.

Zwar werden Patienten heute überwiegend ambulant behandelt. Doch das vorhandene Versorgungsnetz hat viele Lücken. Die DGRh bezifferte bereits 2008 in ihrem Memorandum, dass es nur halb so viele Rheumatologen gibt, wie für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig wären. Das führt zu Wartezeiten von mehreren Monaten und zum Teil sehr langen Anfahrtswegen für die Patienten. Das gefährdet die rechtzeitige Therapie, die dauerhafte Schäden an den Gelenken verhindern könnte.

Die Entwicklung hin zu einem ambulanten Fach führt zu zunehmenden Schwierigkeiten bei der Facharztweiterbildung, die vorwiegend in Krankenhäusern stattfindet. Nach einer aktuellen Umfrage der DGRh bildet schon heute ein Drittel der zur Weiterbildung befugten Ärzte keine neuen Fachärzte aus, weil Arztstellen in den Kliniken abgebaut oder offene Stellen nicht besetzt werden können.

Außerdem verändern sich die universitären Strukturen, die für die Aus- und Weiterbildung des ärztlichen und wissenschaftlichen Nachwuchses notwendig sind. So gibt es heute deutschlandweit nur noch sechs rheumatologische Lehrstühle an den Universitäten. "Medizinstudenten kommen kaum noch mit der Rheumatologie in Kontakt", sagt Professor Ekkehard Genth, Generalsekretär der DGRh.

Nachwuchs für das Fach zu begeistern werde so immer schwieriger. Außerdem schätzen viele junge Ärzte ihre beruflichen Perspektiven in der Rheumatologie als ungewiss ein. Denn die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung sei beschränkt und das Vergütungssystem nicht ausreichend an der ärztlichen Leistung ausgerichtet, sagt Rheumatologe Genth.

Nachwuchs gewinnen und Strukturen sichern - das sind die Ziele der DGRh in den nächsten Jahren. Dazu verstärkt sie die Aktivitäten der Kommissionen "studentische Ausbildung" und "Fort- und Weiterbildung". Wichtiges Etappenziel ist dabei, das Fach bei Medizinern attraktiver zu machen.

Die DGRh fordert die Verbesserung der Strukturen und Repräsentanz der Rheumatologie an den Universitäten sowie der beruflichen Perspektiven für den rheumatologischen Nachwuchs. "Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Rheumapatienten am enormen Fortschritt in der Versorgung rheumatischer Krankheiten teilhaben können", sagt Rüther.

www.dgrh.de

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