Beckenbodentraining bei Belastungsinkontinenz unerlässlich

Patienten mit Belastungsinkontinenz sollten ein Beckenbodentraining mindestens drei Monate durchhalten. Erst wenn auch eine zusätzliche Medikation die Symptome nicht bessert, sind andere Strategien zu erwägen.

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Stärken der Beckenbodenmuskeln - das kommt nicht nur Frauen zugute.

Stärken der Beckenbodenmuskeln - das kommt nicht nur Frauen zugute.

© Radu Razvan / fotolia.com

Von Werner Stingl

FRANKFURT/MAIN. Sowohl für Frauen als auch für Männer mit Belastungsinkontinenz ist ein konsequentes Beckenbodentraining die Therapie der Wahl.

Am besten seien die Erfolge, wenn eigens ausgebildete Physiotherapeuten den Patienten die Techniken über mehrere Termine verteilt beibringen, sagte Professor Axel Haferkamp im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" aus Anlass der Welt-Kontinenz-Woche.

Elektrostimulation als Ergänzung möglich

Günstige Studienergebnisse lägen allerdings auch für Patienten vor, die das Training durch Broschüren und kurze ärztliche Anleitungen erlernt haben, sagte der Direktor der Uniklinik für Urologie in Frankfurt am Main.

Elektrostimulation der Beckenbodenmuskulatur sei eine Ergänzung, aber keine Alternative zur aktiven Gymnastik. Das einzige zugelassene Medikament bei Belastungsinkontinenz - und das auch nur für Frauen - ist Duloxetin.

Studien belegen schon für die Monotherapie einen signifikanten Nutzen, effektiver ist aber die Kombination mit einem Beckenbodentraining.

Männer trainieren nach einer Prostata-Operation

Bei Männern verkürzt der Wirkstoff Studien zufolge die Dauer einer Belastungsinkontinenz, die als Folge einer Prostata-Operation auftritt. Dennoch sei die Zulassung für Männer wohl nicht mehr zu erwarten, da der Patentschutz befristet ist, vermutet Haferkamp.

Bei Frauen sollte ein Beckenbodentraining die Belastungsinkontinenz innerhalb von zwölf Wochen bessern. Hat sich in dieser Zeit trotz zusätzlicher Pharmakotherapie mit Duloxetin wenig getan, sind operative oder invasive Methoden zu erwägen.

Doch selbst nach solchen Eingriffen ist es vorteilhaft, wenn die Frauen die Übungen fortsetzen, um den Erfolg zu stabilisieren.

Bei Männern mit Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie kann sich der Erfolg eines Beckenboden- oder Schließmuskeltrainings auch noch nach einem Jahr einstellen. Deshalb sei es ratsam, die Patienten für eine lange Anstrengung zu motivieren.

Einmal wieder kontinent geworden, können einige Männer ihre Übungen beenden, ohne erneut Probleme mit der Miktion zu bekommen.

Abspecken ist langfristig eine gute Lösung

Bei Frauen mildert eine Gewichtsreduktion auch langfristig Kontinenzprobleme: Dazu liegen jetzt die 18-Monats-Ergebnisse einer Studie mit 335 übergewichtigen oder stark adipösen Patientinnen vor. Jene mit einem Verhaltens- und Gewichtsprogramm hatten um 5,5 Prozent abgenommen, die Kontrollgruppe nur um 1,5 Prozent.

Mit Maßnahmen waren die Inkontinenzepisoden pro Woche um 65 Prozent zurückgegangen, ohne bloß um 47 Prozent (J Urol 2010; 184: 1005).

Auch Inkontinenzpessare nützen Frauen: 446 Patientinnen mit Belastungsinkontinenz machten eine Verhaltenstherapie oder verwendeten solche Hilfsmittel. Nach Ablauf von drei Monaten gaben 40 Prozent der Teilnehmerinnen mit Pessar und 49 Prozent jener Frauen mit Verhaltenstherapie in Fragebögen eine wesentlich bessere Lebensqualität an.

Nach Verhaltensänderung waren 49 Prozent der Befragten nicht mehr inkontinent, mit Pessar waren es aber nur 33 Prozent (Obstet Gynecol 2010; 115: 609).

3. Welt-Kontinenz-Woche vom 20. bis zum 26. Juni

Um die Aufklärung zu Inkontinenz weltweit zu fördern, veranstalten das Continence Promotion Comittee und die International Continence Society (ICS) 2011 zum dritten Mal eine Welt-Kontinenz-Woche: vom 20. bis zum 26. Juni. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V. beteiligt sich daran.

Auf www.kontinenz-gesellschaft.de ist eine Liste der Aktionen hinterlegt, die Kliniken, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Kontinenz- und Beckenboden-Zentren bundesweit anbieten. So gibt es Vorträge, Tage der offenen Tür, Live-Operationen und Telefonsprechstunden. Nicht nur Patienten, Angehörige und Interessierte können teilnehmen, sondern auch Ärzte sind zu Fachsymposien eingeladen. Über die Website kann man außerdem kostenloses Informationsmaterial bestellen.

In Deutschland haben bis zu neun Millionen Männer und Frauen eine Harn- oder Stuhlinkontinenz, schätzt Professor Klaus-Peter Jünemann, erster Vorsitzender der Gesellschaft. Auch jedes dritte Kind im Alter von fünf Jahren nässt nachts ein. Trotzdem ist eine Harninkontinenz mit dem Tabu der Peinlichkeit belegt. Dagegen geht die Deutsche Kontinenz Gesellschaft seit über 20 Jahren an, indem sie informiert, weiterbildet und Patienten mit Rat und Tat zur Seite steht. (ars)

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