Dialyse nach Nierenversagen

Jeden Vierten plagt der Juckreiz

Viele Patienten, die aufgrund von Nierenversagen regelmäßig eine Hämodialyse erhalten, leiden unter Juckreiz. Die Hauterkrankung beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen deutlich.

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Wenn das Hautjucken durch Hautpflege nicht in den Griff zu bekommen ist, sollten Dialyse-Patienten einen Experten aufsuchen.

Wenn das Hautjucken durch Hautpflege nicht in den Griff zu bekommen ist, sollten Dialyse-Patienten einen Experten aufsuchen.

© Klaus Eppele / fotolia.com

HEIDELBERG. Rund ein Drittel der Patienten, die aufgrund von Nierenversagen regelmäßig eine Hämodialyse erhalten, leiden mindestens einmal unter Pruritus. Die länger als sechs Wochen anhaltenden Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen deutlich.

Das hat eine deutschlandweite Studie der Abteilung für Klinische Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg mit 860 Patienten an 25 Dialyse-Zentren ergeben. In der Studie (German Epidemiological Haemodialysis Itch Study / GEHIS) wurden wissenschaftlich geprüfte Fragebögen speziell zur Lebensqualität bei Hautjucken eingesetzt, teilt die Uniklinik mit.

Studie zur Lebensqualität

Verschiedene Ergebnisse der Studie – zum Beispiel zu Häufigkeit und Ursachen des chronischen Juckens bei Dialyse-Patienten – wurden bereits 2015 veröffentlicht. Die Auswertung zur Lebensqualität ist aktuell in der Fachzeitschrift "Qualitiy of Life Research" (Qual Life Res. 2016; online 15. Juni) erschienen.

Dialyse-Patienten sind häufig von quälendem und lang anhaltendem Hautjucken geplagt – dies ist aus der täglichen Praxis gut bekannt. Genaue Zahlen gab es dazu bisher aber nicht, der Anteil der betroffenen Patienten wurde bisher weltweit unterschiedlich auf bis zu 80 Prozent geschätzt.

Trockene Haut und Ekzeme

Ursache dieser Schwankungen sind unterschiedliche Studientypen, uneinheitliche Umfrageinhalte und fehlende Definitionen, ab welcher Beschwerdedauer Jucken als chronisch bezeichnet wird, heißt es in der Mitteilung. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, in welchem Land die Untersuchung stattfand: Je besser die Qualität der Dialyse, desto weniger häufig kommt es zu chronischem Jucken.

Die 2012 gestartete GEHIS-Studie lieferte nun erstmals konkrete und repräsentativ erhobene Zahlen.

Unter chronischem Juckempfinden, das mindestens sechs Wochen andauerte, litten demnach zum Zeitpunkt der Befragung ein Viertel der Patienten. 27 Prozent waren in den vergangenen zwölf Monaten betroffen und 35 Prozent mindestens einmal in der Vergangenheit.

Besonders häufig trat das chronische Jucken zusammen mit trockener Haut oder Ekzemen auf oder bei Studienteilnehmern, die jünger als 70 Jahre alt waren.

Viele Betroffene ohne Therapie

177 der Patienten mit aktuell bestehendem Jucken unterzogen sich einer dermatologischen Untersuchung. Bei 38 Prozent war die Haut vom häufigen und intensiven Kratzen verletzt, bei rund 19 Prozent identifizierten die Hautärzte eine Hauterkrankung, zum Beispiel ein Ekzem als Ursache.

Etwa 40 Prozent der Geplagten hatten medizinische Hilfe gesucht, nur 32 Prozent – meist Patienten mit schwerem Juckreiz – eine Behandlung erhalten.

"Leider gibt es bisher nur lindernde, keine wirklich ursächlichen Therapien – möglicherweise haben daher nicht einmal die Hälfte der Betroffenen einen Dermatologen aufgesucht", wird Studienleiterin Professor Elke Weisshaar in der Mitteilung zitiert.

"Bei Problemen immer den Hautarzt aufsuchen!"

"Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass Dialysepatienten schon eine hohe Anzahl von Arztbesuchen zu bewältigen haben. Aber die Zahlen zeigen: Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde."

Auch bei Patienten ohne ursächliche Hauterkrankung kann beispielsweise eine UV-Lichttherapie, der Einsatz spezieller Cremes sowie die fachgerechte Pflege der trockenen Haut die Beschwerden lindern.

"Dialyse-Patienten sollten immer einen Hautarzt aufsuchen, vor allem wenn sich an der Haut Ausschläge etc. zeigen und das Hautjucken nicht durch Hautpflege in den Griff zu bekommen ist, damit eine mögliche Hauterkrankung nicht übersehen wird", so die Expertin.

Belastung auch für die seelische Gesundheit

Darüber hinaus belastet das ständige Jucken auch Psyche und seelische Gesundheit. Mit Hilfe wissenschaftlich überprüfter Fragebögen zu Lebensqualität, Angst, Depression, Schlafqualität und Schmerzen ermittelten die Heidelberger Sozialmediziner, dass chronischer Juckreiz die ohnehin schon durch Nierenversagen und Dialyse massiv eingeschränkte Lebensqualität der Betroffenen noch zusätzlich minderte – vergleichbar mit den Auswirkungen von chronischen Schmerzen.

Patienten mit Hautjucken schätzten ihren allgemeinen Gesundheitszustand ebenso wie ihr emotionales Wohlbefinden schlechter ein als nicht betroffene Dialyse-Patienten. Patienten mit chronischem Jucken berichteten der Mitteilung zufolge zudem überdurchschnittlich häufig von Schmerzen und Schlafstörungen.

"Wie das häufig gleichzeitige Auftreten von Jucken und Schmerzen zusammenhängt, muss allerdings noch geprüft werden", so Weisshaar. Angesichts der Ergebnisse der GEHIS-Studie ist eine ergänzende psychosoziale Betreuung der Patienten sinnvoll und angebracht. (eb)

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