Chronische Nierenerkrankung

Was ist der optimale Blutdruck?

Lohnt es sich, bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, die keinen Diabetes haben, den Blutdruck unter 130/80 mmHg zu senken? Laut einer aktuellen Metaanalyse ist das beim Gros der Patienten nicht der Fall.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Bei chronischer Nierenerkrankung wird in den meisten Leitlinien ein Blutdruckziel von unter 140/90 mmHg gesetzt.

Bei chronischer Nierenerkrankung wird in den meisten Leitlinien ein Blutdruckziel von unter 140/90 mmHg gesetzt.

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NEW TAIPEI CITY. Die Entwicklung einer nichtdiabetischen chronischen Nierenerkrankung ist eng mit dem Blutdruck korreliert; die Senkung erhöhter Werte daher nötig, um den weiteren Verlust der Nierenfunktion und kardiovaskuläre Mortalität einzudämmen. Strittig ist, wie tief der Blutdruck dazu gesenkt werden soll.

In den meisten Leitlinien zur arteriellen Hypertonie wird für chronisch Nierenkranke das Ziel unter 140/90 mmHg gesetzt, so auch in der Leitlinie der europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Hypertonie. Letztere empfehlen außerdem eine Reduktion unter 130/80 mmHg für den Fall, dass bereits eine Proteinurie besteht. Eine Absenkung des Blutdruckziels für alle Patienten ist einer aktuellen Metaanalyse zufolge nicht gerechtfertigt: Nierenpatienten mit aggressiver Blutdrucktherapie hatten keinen Vorteil gegenüber Patienten mit einer Standardtherapie. Bei Vorliegen einer Proteinurie sowie bei nicht schwarzer Hautfarbe bestand aber immerhin ein Trend zugunsten der strengeren Blutdruckeinstellung (JAMA Intern Med 2017, online 13. März;).

In der Analyse wurden ausschließlich solche randomisierten Studien berücksichtigt, in denen renale Komplikationen oder die Gesamtmortalität als Endpunkte ausgewertet wurden. An den acht Studien waren 8127 Erwachsene mit chronischer Nierenerkrankung ohne Diabetes beteiligt. Mit der intensiven Therapie (Ziel unter 130/80 mmHg) wurden systolische Werte erreicht, die im Mittel 4–13 mmHg tiefer lagen als mit der Standardtherapie (Ziel unter 140/90 mmHg). Die unterschiedliche Therapieintensität hatte aber auf keinen der untersuchten Endpunkte einen signifikanten Effekt: Die jährliche Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR), das Risiko einer Verdopplung des Serumkreatinins oder einer 50-prozentigen GFR-Reduktion, eines terminales Nierenversagen und des kombinierten renalen Endpunkts sowie die Gesamtmortalität waren über die Studiendauer von median 3,3 Jahren hinweg in beiden Gruppen gleich hoch.

Bei Patienten mit einer Proteinurie vermittelte die aggressivere Blutdrucksenkung einen zumindest tendenziell besseren Nierenschutz: Bei einer Proteinausscheidung von mehr als 1 bzw. mehr als 0,5 g/d bestand ein Trend zu einer langsameren GFR-Abnahme bzw. zu einem geringeren Risiko für ein terminales Nierenversagen. Zumindest dem Trend nach erwies sich die strengere Blutdruckkontrolle auch bei Nicht-Afroamerikanern als überlegen, mit einer langsameren Progression des GFR-Verlustes. Dass chronische Nierenpatienten mit schwarzer Hautfarbe von einer blutdrucksenkenden Behandlung weniger profitieren als Weiße, wurde schon in anderen Studien festgestellt.

Ob die stärkere Drucksenkung mit mehr Nebenwirkungen assoziiert war, wurde nicht in allen Studien untersucht. Anhand von zwei Studien ließ sich aber ein erhöhtes Risiko für Benommenheit ausmachen. Laut den Autoren von jeweils einer Studie kam es aber nicht zu einer Zunahme von Hypotonieepisoden, Synkopen oder akuten Nierenschäden. Die Autoren der Metaanalyse schließen aus den Ergebnissen, dass ein Blutdruckziel unterhalb des aktuellen Standards "nicht durchgängig zu rechtfertigen ist". Bestimmte Patientengruppen, mit starker Proteinurie oder weißer Hautfarbe würden aber möglicherweise davon profitieren.

Studienergebnisse

- Eine intensivere blutdrucksenkende Therapie hatte keinen Effekt auf die jährliche Abnahme der GFR, das Risiko eines terminales Nierenversagens oder die Gesamtmortalität bei chronisch nierenkranken Patienten.

- Bei Patienten mit Proteinurie vermittelte die aggressivere Blutdrucksenkung einen zumindest tendenziell besseren Nierenschutz.

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