Therapie bei BPS - wann medikamentös, wann interventionell?

Ein benignes Prostatahyperplasie-Syndrom (BPS) ist die häufigste Ursache für Miktionsstörungen bei älteren Männern. Etwa die Hälfte aller über 70jährigen muß deswegen behandelt werden. Nykturie, Dysurie, Harndrang und Pollakisurie können den Alltag und besonders auch die nächtliche Ruhe erheblich beeinträchtigen. Bei BPS mit fehlender oder geringer Obstruktion kann eine medikamentöse Therapie Linderung verschaffen. Bei stark ausgeprägter Obstruktion ist eine Resektion erforderlich.

Veröffentlicht:

Rolf Muschter

Für Patienten mit symptomatischer benigner Prostatahyperplasie (BPH) oder - nach neuer Nomenklatur - benignem Prostatahyperplasie-Syndrom (BPS) stehen mit den jahrzehntelang bewährten Resektionsverfahren wirksame und risikoarme chirurgische Therapien zur Verfügung. Dennoch besteht ein zunehmender Trend zur minimal-invasiven Therapie sowie eine erhebliche Nachfrage nach medikamentösen Behandlungsformen.

Medikamentöse Therapie

  • Phytotherapeutika Die Phytotherapie stand bis vor kurzem in Deutschland quantitativ bei der medikamentösen Behandlung von Patienten mit BPS im Vordergrund und ist auch in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern verbreitet. Noch in der jüngeren Vergangenheit rezeptier- und erstattungsfähig waren mehrere Fertigarzneimittel mit Extrakten aus Brennesselwurzel, Kürbissamen, Sägepalmenfrüchten, Roggenpollen und aus der afrikanischen Lilie (Hypoxis rooperi) mit ß-Sitosterin als Hauptbestandteil. Der Stellenwert, der der Phytotherapie nach den gesundheitspolitischen Markteingriffen zukommen wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Aus aktueller wissenschaftlicher Sicht ist die Qualität der überwiegenden Zahl der Studien zur Wirksamkeit der untersuchten phytotherapeutischen Präparate unzureichend, in den letzten Jahren wurden allerdings einige wenige Studien mit ausreichender Qualität publiziert. Grundsätzlich anzumerken ist jedoch, daß Aussagen zur Wirksamkeit eines Präparates wegen unterschiedlicher Extraktionsverfahren und Dosierungen nicht automatisch auf Präparate vergleichbarer Inhaltsstoffe, erst recht nicht auf andere Inhaltsstoffe übertragen werden können. Eine gesicherte Wirkung auf die Obstruktion und die Prostatavergrößerung kann für kein Phytotherapeutikum festgestellt werden, so daß nur Patienten mit irritativen Symptomen ohne relevante Blasenauslaßobstruktion behandelt werden sollten.
  • a1-adrenerge Rezeptorenblocker Im Stroma der Prostata finden sich a-adrenerg-innervierte glatte Muskelzellen, deren Tonus - die "dynamische" Komponente der Obstruktion - durch die Blockade der a-adrenergen Rezeptoren herabgesetzt werden kann. Ob hierdurch allerdings die Obstruktion tatsächlich verringert wird, konnte bisher nicht belegt werden. Der positive Effekt auf die Symptomatik hingegen ist in mehreren offenen und prospektiv randomisierten Studien bewiesen. Der genaue Wirkmechanismus, der zu einer Besserung der Symptome führt, ist jedoch noch unklar. Die ersten Rezeptor-unspezifischen a-Blocker, die für die Behandlung von Patienten mit BPS eingesetzt worden waren, waren mit deutlichen unerwünschten Wirkungen belastet. Die heute fast ausschließlich angewandten selektiven a1- oder "Prostata-spezifischen" a1A-Rezeptorenblocker Alfuzosin (etwa Urion® uno, Uroxatral® uno), Doxazosin (etwa Cardular® PP Uro, Diblocin® PP Uro), Tamsulosin (Alna®, Omnic®) und Terazosin (etwa Flotrin®) sind erheblich besser verträglich und haben nur selten unerwünschte Wirkungen. Vergleichende Studien haben ergeben, daß die primär für die Behandlung bei BPS entwickelten a1-Rezeptorenblocker Alfuzosin und Tamsulosin besser verträglich sind als die ursprünglich in der Hypertonie-Behandlung angewandten a1-Blocker Doxazosin und Terazosin. Der Wirkungseintritt erfolgt innerhalb von Tagen. Die Therapie mit a1-Blockern ist symptomatisch und kann die Progression des BPS wahrscheinlich nicht aufhalten.
  • 5-a-Reduktasehemmer Die Hemmung der 5-a-Reduktase durch Finasterid (Proscar®) und durch das auf beide Subtypen (I und II) wirkende Dutasterid (Avodart®) führt zu einer Abnahme der Konzentration des Dihydrotestosterons (DHT) in der Prostatazelle. Die hieraus resultierende Abnahme des Prostatavolumens konnte in mehreren Studien belegt werden. Schwere unerwünschte Wirkungen wurden nicht beobachtet, gelegentlich kam es zur Verringerung des Ejakulatvolumens, zur Abnahme der Libido und Potenzstörungen sowie zu einer Gynäkomastie. Diese unerwünschten Wirkungen nahmen jedoch mit zunehmender Therapiedauer ab. Die positive und mindestens vier Jahre anhaltende Wirkung der 5-a-Reduktasehemmer auf Symptomatik und Obstruktion wurde in offenen und prospektiv-randomisierten Studien bei Patienten mit vergrößerter Prostata ebenfalls nachgewiesen. Der Wirkungseintritt erfolgt aufgrund des kausalen Wirkprinzips verzögert, das heißt innerhalb von Wochen bis Monaten. Die Progression des BPS kann so aufgehalten werden, und eine akute Harnverhaltung oder eine chirurgische Therapie konnte in Langzeitstudien mit Finasterid und Dutasterid um etwa 50 Prozent im Vergleich zu den Placebo-Kontrollgruppen verringert werden.
  • Kombinationstherapie In den beiden letzten Jahren wurden zwei Studien zum Nutzen einer Kombinationstherapie - Finasterid und Doxazosin als Dauerkombination sowie Dutasterid und Tamsulosin als Dauer- oder Kurzzeitkombination - veröffentlicht: Die Ergebnisse der MTOPS-Studie (Medical Therapy of Prostatic Symptoms) zeigten erstmals die Überlegenheit der Kombination eines a-Blockers mit einem 5-a-Reduktasehemmer im Vergleich zu einer Monotherapie. Unter der Kombinationstherapie besserten sich die Symptome, die objektiv meßbaren Miktionsparameter und die Progression der Erkrankung. Im Langzeitverlauf ließen sich sowohl die Rate akuter Harnverhaltungen als auch der sekundär benötigten chirurgischen Eingriffe erheblich reduzieren. Die SMART-Studie (Symptom Management After Reducing Therapy) mit Dutasterid berücksichtigt noch differenzierter die Eigenschaften der einzelnen Medikamente. Es erfolgte keine andauernde, sondern lediglich eine zeitlich befristete Kombination von Dutasterid und Tamsulosin mit anschließender alleiniger Dutasterid-Therapie. Auch für dieses Studienprotokoll hat sich die Kombinationstherapie als vorteilhaft erwiesen und könnte bei entsprechender Patientenselektion trotz der initial höheren Kosten sinnvoll sein.

Interventionelle Therapie

Unter dem Begriff der "minimal-invasiven" Therapie werden mehrere, ganz unterschiedliche Verfahren zusammengefaßt. Am sinnvollsten scheint die Einteilung anhand der tatsächlich erzielten Gewebeeffekte - initiale Koagulation mit sekundärer, verzögerter Ablation versus unmittelbarer Ablation. Eine gewisse Bedeutung erlangen konnten die Koagulationsverfahren.

  • TUMT (Transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie),
  • TUNA (Transurethrale Nadelablation),
  • ILC (Interstitielle Laserkoagulation) und
  • das Ablationsverfahren HoLEP (Holmium-Laser-Enukleation der Prostata).

Die transurethrale Resektion der Prostata (TURP) gilt jedoch nach wie vor als das Standardverfahren. Aufgrund unterschiedlicher Techniken und Operationserfahrungen variieren die Angaben über Komplikationen und Langzeitergebnisse der TURP erheblich.

In älteren internationalen Untersuchungen werden Inkontinenzraten von bis zu zehn Prozent angegeben, liegen in erfahrenen Zentren heute jedoch deutlich niedriger. Die erektile Dysfunktion ist generell keine häufige unerwünschte Wirkung der TURP, allerdings sind kaum objektive Daten verfügbar. Eine retrograde Ejakulation tritt in 60 - 90 Prozent auf. Die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivadenoms, das eine Re-Operation notwendig macht, liegt bei etwa 12 - 15 Prozent innerhalb von acht Jahren.

Die offene Adenomenukleation erzielt vergleichbar gute Ergebnisse wie die TURP. Die offene Operation sollte aber auf große Drüsenvolumina beschränkt bleiben. Bei sehr kleinem Prostatavolumen oder bei sogenanntem Blasenhalsadenom kann eine transurethrale Inzision (TUIP) der Prostata erwogen werden.

Die verschiedenen Verfahren zur Behandlung von Patienten mit BPS überschneiden sich in ihrem Indikationsbereich erheblich. Die jeweils invasiveren Verfahren decken in der Regel den Indikationsbereich der weniger invasiven Therapien ab, sie belasten allerdings die Patienten oft unnötig. Das zu wählende Therapieverfahren sollte daher, mit möglichst geringer Komplikationsrate, die Symptome und - falls vorhanden - die Obstruktion adäquat verringern.

Darüber hinaus sollten das individuelle Risikoprofil des Patienten sowie weitere Kriterien wie individuelle Wünsche der Patienten (z. B. Ejakulationserhalt), aber auch die Kosten berücksichtigt werden. Eine "Therapiekaskade", bei der nacheinander verschiedene Medikationen und zunehmend invasive interventionelle Behandlungen angewandt werden, ist obsolet.

Prof. Dr. Rolf Muschter, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Diakoniekrankenhaus Rotenburg / W., Elise-Averdieck-Str. 17, 27356 Rotenburg, Tel.: 04261 / 772361, Fax: 772136, E-Mail: muschter@diako-online.de, Internet: www.diako-online.de

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