Union legt Sparvorschläge vor

Die Gesundheitsreform in statu nascendi gleicht dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht. Die Union favorisiert Zwangsrabatte und einen Preisstopp, Minister Rösler nimmt über den Großhandel auch die Apotheken ins Visier. Beschlossen ist freilich noch lange nichts.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

Die Konfliktlinien in der Arzneimittelpolitik von CDU/CSU und FDP werden zusehends markanter: Während sich Gesundheitsminister Rösler kürzlich noch entschieden gegen die Einführung einer 4. Hürde für neue Arzneimittel sowie für die Ausweitung von Rabattverträgen ausspricht, drängen Unionspolitiker auf die Entschärfung der Rabattverträge sowie die Abschaffung der freien Preisbildung für Innovationen ohne belegten Zusatznutzen. Was kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Kostendämpfung anbelangt, nehmen sich die Koalitionspartner dagegen nichts. FDP-Minister Rösler sind dazu sogar alte SPD-Vorschläge willkommen.

So berichtete das Handelsblatt, Rösler plane, die Großhandelsspanne im Zuge einer Drehung der Arzneimittelpreisverordnung zu kappen und damit rund 400 Millionen Euro Rabatt zugunsten der GKV abzuschöpfen. Dem Großhandel blieben künftig nur noch 200 Millionen Euro für sogenannte Funktionsrabatte. Leidtragende wären die Apotheken, deren Wareneinsatz sich erhöht. 70 Cent Distributionsgebühr plus 1,5 Prozent, so lautete der ursprünglich von SPD-Gesundheitspolitikern in den letzten Zügen der 15. AMG-Novelle Mitte vorigen Jahres eingebrachte Vorschlag, den Großhandel zu beschneiden. Damals scheiterte die Idee am Veto der CDU.

Das könnte jetzt anders ausgehen. Denn die Union gibt sich in Sachen Rabattabschöpfung momentan wenig zimperlich. In einem Positionspapier formulieren die CDU-Bundestagsabgeordneten Jens Spahn und Michael Hennrich sowie ihre CSU-Fraktionskollegen Johannes Singhammer und Max Straubinger drei Reform-Schwerpunkte: Deregulierung, kurzfristige Einsparbeiträge und strukturelle Neuregelungen.

Rabattverträge entschärfen, Zwangsrabatte erhöhen

Unter Deregulierung wird die Abschaffung der Bonus-Malus-Regelung verstanden sowie die Vereinfachung von Arzneimittelrichtgrößen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Im Gegenzug soll die ärztliche Therapiefreiheit eingeschränkt werden, indem GBA-Therapierichtlinien "einen verpflichtenden Charakter erhalten".

Unter der Überschrift "kurzfristig wirksame Einsparbeiträge" ziehen die Unionsstrategen dann die Daumenschrauben an und bitten die Industrie mit Zwangsrabatten und Preismoratorien zur Kasse: Bis Ende 2013 sollen die Arzneimittelpreise eingefroren, darüber hinaus mittels eines internationalen Monitorings die Preise für patentgeschützte Produkte gesenkt werden, wenn sie 20 Prozent höher sind als in vergleichbaren Referenzmärkten. Zudem soll der gesetzliche Rabatt für patentgeschützte Originale ab 2011 von jetzt sechs auf dann 16 Prozent erhöht werden.

Am umfangreichsten fällt der Abschnitt "Strukturelle Neuregelungen" aus. Im festbetragsgeregelten Generikamarkt werden die Apotheker von der Verpflichtung zur Substitution nach Vertragslage entbunden und auf diese Weise die Rabattverträge wieder entschärft. Um der Versichertengemeinschaft die bisher durch Rabattvereinbarungen erzielten Einsparungen zu erhalten, soll der GKV-Rabatt für Generika um zehn Prozent steigen. Für Ausgabenkontrolle im Patentmarkt sollen eine einfachere Bildung von Festbetragsgruppen sowie Nutzen- und Kosten-Nutzen-Bewertungen sorgen. Neu zugelassene Präparate wären dagegen im Schnellverfahren daraufhin zu prüfen, ob sie einen therapeutischen Zusatznutzen bieten. Bei negativem Bescheid erfolgt nach den Plänen der Unionspolitiker umgehend eine Festbetragsregelung, die Festlegung eines Höchstbetrages oder sogar ein Erstattungsausschluss.

Wetten auf den Nutzen

Anbieter einer Innovation mit vorläufig festgestelltem Zusatznutzen müssen mit dem GKV-Spitzenverband Preisverhandlungen führen. O• der sie hoffen darauf, ihren Preis durch eine abschließende Kosten-Nutzen-Bewertung rechtfertigen zu können. • Gelingt das nicht, können die Kassen einen Höchstbetrag festlegen oder erneut Preisverhandlungen starten. Außerdem dürfen sie den Hersteller für den nachträglich als überhöht identifizierten Preis in Regress nehmen.

Mit Spannung wird jetzt die Reaktion Röslers auf diese Vorschläge erwartet. Wie es aus Berlin heißt, sei Anfang nächster Woche mit einem Eckpunktepapier aus dem Ministerium zu rechnen.

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