Interview

Verblisterung: Die Rahmenbedingungen stimmen noch nicht

Ein gesetzliches Honorar, ein Verbot, geteilte Tabletten zu verordnen, oder die Labelhoheit für Blisterzentren: Forderungen, um die Verblisterung voran zu bringen.

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Marcus Berz, Geschäftsführer Blister Care

Marcus Berz, Geschäftsführer Blister Care

© Berz

ApothekerPlus: Höhere Therapietreue, weniger Klinikeinweisungen - der Nutzen der Verblisterung ist unbestritten. Dennoch sind die Bretter, die es zu bohren gilt, um die Verblisterung in der ambulanten Chroniker-Versorgung zu etablieren, ziemlich dick. Warum eigentlich?

Marcus Berz: Für die Apotheke ist das Verblistern zunächst nicht besonders attraktiv. Durch die Fertigungskosten verdient sie weniger als durch die Packungsabgabe in der Offizin. Und was die Heime für diesen Service vergüten, wiegt die Kosten des Blisterzentrums nicht vollständig auf.

Die Apotheke gibt also Marge ab. Sinn bekommt die Sache erst, wenn man sie als Chance sieht, um sich für die Zukunft zu wappnen und dann auch expansiv Mengeneffekte nutzt. Und weil der Wochenblister kein Bestandteil der Regelversorgung ist, fehlt hier der Nachfrager. Wir haben gerade mal ein paar Hand voll Privatkunden, die sich Wochenblister auf eigene Rechnung nach Hause liefern lassen.

ApothekerPlus: Von den Krankenkassen hört man nur Gutes aus deren Pilotprojekten. Alles Lippenbekenntnisse?

Berz: Ich bin seit Jahren mit Kassen im Gespräch und bekomme immer wieder zu hören, man habe keine Manpower, sich um die Verblisterung zu kümmern. Außerdem sagt man mir, die Einspareffekte machten sich vor allem durch weniger Klinikeinweisungen bemerkbar.

Die Kliniken hätten aber genug Ausweichmechanismen, um sich an anderer Stelle das zu holen, was ihnen durch die Verblisterung entgeht. Angesichts des belegten Nutzens der Verblisterung, 1600 Euro Ersparnis pro Heimpatient und Jahr, eine unglaubliche Aussage.

Und selbst bei Kostenneutralität müssten die Kassen die Verblisterung noch unterstützen, da die Patienten siginifikant besser eingestellt sind und eine höhere Lebensqualität haben. Alles andere kann man nur als unterlassenen Hilfeleistung werten.

ApothekerPlus: Welche Forderungen erhebt Ihr Verbund, die DBU, um die Marktchancen für die Verblisterung zu verbessern?

Berz: Zunächst fordern wir eine leistungsgerechte Vergütung für die Apotheken, die in irgend einer Weise gesetzlich zu verankern wäre. Eine bessere Versorgungsqualität muss auch honoriert werden. Unsere zweite Forderung lautet, die Verordnung und Verblisterung geteilter Tabletten zu verbieten.

ApothekerPlus: Als Blisterzentrum dürfen Sie die Tabletten ja ohnehin nicht verändern, also auch nicht teilen.

Stichwort: Einheitliche Qualitätsstandards

Marcus Berz ist Geschäftsführer der Blister Care GmbH in Hameln.

Das Unternehmen produziert für Apotheken, u.a. die Raths-Apotheke seiner Ehefrau, wöchentlich rund 2000 Schlauchblister zur Chronikerversorgung in Heimen.

Blister Care ist Gründungsmitglied der Deutschen Blister Union (DBU), eines Netzwerks von 14 Blisterzentren, die nach einheitlichen Herstellprozessen und Qualitätsstandards arbeiten.

Berz: So ist es, arzneimittelrechtlich dürfen wir das nicht. Und das führt immer wieder zu müßigen Rücksprachen und dann manchmal auch zu Auseinandersetzungen unserer Kunden-Apotheken mit den Ärzten, die eigentlich unnötig sind.

Die Einsparmöglichkeiten halber Tabletten liegen im Cent-Bereich, die Risiken werden geflissentlich ignoriert. Zum Beispiel Retardpräparate oder magensaftresistente Tabletten zu halbieren ist pharmakologischer Unsinn.

Tabletten sollten nur dann geteilt werden dürfen, wenn es keine pharmazeutische Alternative gibt und das Zulassungsdossier die Teilung ausdrücklich erlaubt. Selbst eine Bruchrille ist kein sicherer Beleg für eine Teilbarkeit.

ApothekerPlus: Was machen Sie, wenn ein Arzt auf dem Pillenknick besteht?

Berz: Dann kommt eine ganze Tablette in die Tüte mit einem Teilungshinweis für das Pflegepersonal. Am nächsten Tag bekommt der Patient eine Leertüte mit dem Hinweis, die Halbe vom Vortag zu nehmen.

ApothekerPlus: Und als Hersteller wünschen Sie Labelhoheit?

Berz: Das ist auch so ein neuralgischer Punkt. Wenn ich nur ein Omeprazol abfüllen muss, statt 20, dann nimmt die Fertigungseffizienz ganz erheblich zu. Das geht natürlich nur, wenn die Rabattverträge außen vor bleiben. Momentan zeigen die Kassen keinerlei Neigung, beim Verblistern darauf zu verzichten, Rabattverträge zu bedienen. Ganz im Gegenteil. (cw)

Lesen Sie dazu auch: Hoffen auf die Pflegereform

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