Stimmen aus den Praxen

Ärzte-Umfrage: EHEC löst teilweise Run auf Praxen aus

EHEC beunruhigt besonders die Patienten im Norden Deutschlands. Wie eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" ergab, spüren die Ärzte die Verunsicherung der Patienten.

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Hausärztin Catherine Walliser berichtet von einem erhöhten Patientenansturm wegen EHEC.

Hausärztin Catherine Walliser berichtet von einem erhöhten Patientenansturm wegen EHEC.

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NEU-ISENBURG (ami/cben/di). Gemischte Reaktionen beobachtet Landarzt Carl Culemeyer aus dem schleswig-holsteinischen Ascheffel. "Jeder zweite Patient spricht das Thema an", sagte Culemeyer. Manche zeigten sich besorgt bis an Hysterie grenzend, andere seien ausgesprochen entspannt.

Die Gemeinschaftspraxis in den Hüttener Bergen hatte in der vergangenen Woche etwa eine Handvoll Patient mit bestätigtem EHEC-Verdacht. Ein Patient mit EHEC ist inzwischen verstorben.

Allgemeinärztin Catherine Walliser verzeichnet wegen EHEC derzeit einen deutlich erhöhten Patientenansturm in ihrer Praxis im Eckernförder Krankenhaus. "Viele Patienten mit Bauchschmerzen kommen in die Praxis, die sonst nicht gekommen wären", sagte sie der "Ärzte Zeitung". Bislang hat sich noch bei keinem ihrer Patienten der EHEC-Verdacht bestätigt.

Für die Praxisorganisation ist der Ansturm eine Herausforderung: Patienten, die von Bauchschmerzen oder Durchfall berichten, werden ohne den Umweg Wartezimmer in ein separates Sprechzimmer geschleust. In den Gesprächen mit allen Patienten verstärkt Walliser derzeit ihre Aufklärung zur Hygiene. Die Ärztin berichtet von einer deutlich entspannteren Patienteneinstellung als etwa zur Zeit der Schweinegrippe.

Dr. Szillat: "Bei uns ist es sehr ruhig"

Als "sehr unaufgeregt" schildert Dr. Anja Szillat die Haltung ihrer Patienten in Marne an der Nordseeküste. "Bei uns ist es sehr ruhig", sagte Szillat. Bislang gebe es nur vereinzelte Verdachtsfälle, die sich aber nicht bestätigt haben. In einigen Fällen fragten Patienten gezielt nach Verhaltensregeln für die Hygiene.

Ganz anders die Situation in der Hausarztpraxis von Dr. Silke Lüder in Hamburg-Bergedorf. Sie berichtet von diversen Verdachtsfällen und vielen besorgten Patienten. Andere fragen gezielt nach Verhaltensmaßnahmen. Lüder beobachtet, dass derzeit auch andere Durchfallerreger im Umlauf sind.

Bei entsprechenden Hinweisen werden Patienten in ihrer Praxis sofort in einem Extraraum versorgt. Trotz der angespannten Lage verläuft der Praxisbetrieb aber in geordneten Bahnen: "Chaos ist nicht ausgebrochen", sagte Lüder.

Hausarzt Thomas Liebsch aus Bremen berichtet von insgesamt fünf Verdachtsfällen auf EHEC aus der vergangenen Woche. "Wir haben drei Patienten gestestet, aber bei keinem der Patienten hat sich der Verdacht bestätigt." Insgesamt seien die Patienten ruhig und keineswegs panisch, berichtet der Hausarzt.

"Kürzlich kam ein Patient mit Durchfall zu mir und sagte fast ironisch `wird ja wohl kein EHEC sein?´" Seinen Patienten rät Liebsch "den Klassiker", wie er sagt: "Nach dem Stuhlgang, vor dem Essen, Hände waschen nicht vergessen."

Dr. Kunkel: "Seltene Verdachtsfälle"

Hausarzt Dr. Stephan Kunkel aus Oyten bei Bremen, sagt: "Bei uns sind die Verdachtsfälle so selten, dass wir in unserer Praxis nicht einen einzigen Stuhltest machen mussten." Nur im Notdienst hatte Kunkel einen jungen Mann zu versorgen, bei dem EHEC eine mögliche Erklärung seines Durchfalls gewesen wäre.

"Da war die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gesundheitsamt sehr gut, selbst am Sonntagabend." Der Mann konnte nach hause geschickt werden. "Am Montag ist er dann zu seinem Hausarzt gegangen." Insgesamt seien die Patienten entspannt und verständig. Von Panik keine Rede, sagt Kunkel.

"Vielleicht sind die Leute auch schon an Katastrophen und Hiobsbotschaften gewöhnt", meint der Hausarzt. Er weise seine Patienten auf die Verzehrempfehlungen des RKI hin und auf die besondere Händehygiene."Allerdings stelle ich fest: Die Patienten sind sehr gut informiert."

"Ich wundere mich, wie entspannt die Patienten sind", sagt der Hausarztinternist Dietmar Schranz. Er ist froh, dass im Umfeld seiner Praxis in Berlin-Charlottenburg derzeit keine Durchfallwelle grassiert. Patienten mit einer Durchfallerkrankung sind leicht verunsichert und kommen eher in die Gemeinschaftspraxis als sonst, beobachtet Schranz.

"Ganz selten" sieht der Hausarztinternist auch Patienten, die meinen, sie hätten sich mit dem EHEC-Erreger angesteckt. Der Verdacht hat sich bislang aber nie bestätigt. "Natürlich raten auch wir unseren Patienten zu den bekannten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen", sagt Schranz.

Dr. Stempor: "Patienten sind entspannt"

Die Allgemeinärztin Dr. Gabriele Stempor aus Marzahn beschreibt ihre Patienten ebenfalls als "entspannt". Auch mit den letzten Ausläufern einer Durchfallwelle komme sie ihrer Beschreibung nach gut klar. "Die Patienten achten zunehmend auf Blut im Stuhl und Temperatur, da ist durch die Medien schon viel Aufklärung geschafft", sagt Stempor.

Natürlich ist EHEC ein Thema in ihrer Hausarztpraxis. Doch von Hysterie kann keine Rede sein. "Die Patienten sind nicht aufgescheucht", sagt die Allgemeinmedizinerin. Sie rät ihren Patienten, sich selbst zu beobachten. "Das kommt gut an", berichtet Stempor. Anders als sonst bei Durchfall empfiehlt sie auch schneller mal einen Besuch in der Rettungsstelle, "wenn die Symptome dramatisch werden und die Praxis geschlossen haben sollte".

Die Allgemeinärztin Dr. Karin Harre aus Walsleben in Brandenburg hatte noch keinen Patienten mit ernst zu nehmendem Verdacht auf eine EHEC-Ansteckung. "Bis auf eine alte Dame, die mich abends um halb neun anrief und meinte, sie hätte sich an einem Apfel mit EHEC vergiftet, sind alle ganz cool", sagt Harre.

Auch bei Magen-Darm-Infekten behielten Patienten die Ruhe. Sie seien "nicht von der Hysterie angesteckt".

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