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Ursachen des Typ-1-Diabetes auf der Spur

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as Schema zeigt eine Vereinigung von Gennetzwerken im Erbgut von Ratten und Menschen. Die Netzwerke werden von dem Transkriptionsfaktor Irf-7 (interferon regulatory factor) gesteuert. Jeder Punkt entspricht einem Gen. Der Grad der Einfärbung spiegelt die Stärke der Assoziation mit Typ-1-Diabetes wider.

as Schema zeigt eine Vereinigung von Gennetzwerken im Erbgut von Ratten und Menschen. Die Netzwerke werden von dem Transkriptionsfaktor Irf-7 (interferon regulatory factor) gesteuert. Jeder Punkt entspricht einem Gen. Der Grad der Einfärbung spiegelt die Stärke der Assoziation mit Typ-1-Diabetes wider.

© Hübner

Professor Norbert Hübner vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin hat mit seinen Kollegen ein ganzes Netzwerk an Genen aufgedeckt, das an der Entstehung des Typ-1-Diabetes beteiligt ist. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten möglicherweise eines Tages therapeutisch genutzt werden.

Das Interview führte Peter Leiner

Ärzte Zeitung: Sie erforschen die genetischen Grundlagen kardiovaskulärer und metabolischer Erkrankungen, etwa Diabetes. Wo ist da die genetische Klammer?

Professor Norbert Hübner: Wir fragen uns: Hat jeder dieser Risikofaktoren sein eigenes Variationsprofil, oder gibt es Überschneidungen mit Genen, die in verschiedene Richtungen Auswirkungen haben?

Wir sind somit an einer molekularen Definition von Erkrankungen des Menschen interessiert. Gibt es zum Beispiel Faktoren wie den Transkriptionsfaktor Irf-7, der nicht nur in eine, sondern in mehrere Richtungen wirkt? Wir vermuten, dass das so ist, schlüssige Beweise gibt es nur punktuell.

Bisher haben wir immer nur einzelne Gene angeschaut und dadurch den regulatorischen Kontext verloren. Wenn wir jetzt die Technologien haben, das gesamte Transkriptom, das komplette Genom gleichzeitig anzuschauen, können wir auch nachweisen, ob es Einflüsse auf unterschiedliche oder gemeinsame Endpunkte gibt.

Was lässt sich im Einzelnen untersuchen?

Hübner: Wir können zum einen die genetischen und genomischen Variationen des Menschen in jedem Gen darstellen, indem das Erbgut komplett sequenziert wird. Wir können dasselbe mit den Expressions-, also den Transkriptom-Daten machen.

Dann können wir die Metabonom-Daten darüber legen, das bedeutet: Wir können auch im Menschen Stoffwechselprodukte im Gewebe oder im Blut im Detail analysieren.

Und wir können schließlich noch das Proteom, die Gesamtheit aller Eiweißmoleküle, analysieren. Durch diese Kombinationen sehen wir, welche Variationen für bestimmte Stoffwechselwege ausschlaggebend sind. Diese können wir dann wieder mit klinischen Endpunkten verbinden. Das wird die Stärke einer systemgetriebenen Genomanalyse sein.

Für den Galenus-Preis bewerben Sie sich mit einer Publikation zum Typ-1-Diabetes. Was haben Sie entdeckt und welche Relevanz kann das für die Patientenversorgung haben?

Hübner: Mit Irf-7 haben wir durch unsere genetische und genomische Grundlagenforschung bei Ratten und beim Menschen einen Transkriptionsfaktor entdeckt, der ein Netzwerk von über 300 Genen steuert.

Wichtig bei dieser Forschung ist, dass wir ein mechanistisches Verständnis der Erkrankung haben und wissen, welche Faktoren, auch welche Gene an der Ausbildung des Diabetesrisikos beteiligt sind.

Möglicherweise können wir dann künftig beantworten, welche Risikofaktoren wie mit welchen Umweltfaktoren zusammenspielen. Wir erhalten eventuell eine Antwort darauf, wie wir daraus schließlich ein Diabetesrisiko für Patienten beschreiben und künftig therapeutisch intervenieren können.

Welche physiologische Funktion hat das Gen Irf-7?

Hübner:Das Gen enthält den Bauplan für einen Faktor, der vor allem solche Gene reguliert, die für inflammatorische Antworten verantwortlich sind. Wenn das Gen jedoch dereguliert ist, zum Beispiel durch eine genetische Variante in einem anderen Gen, das wiederum Irf-7 steuert, dann kommt es zu einer Fehlsteuerung dieses Gennetzwerkes.

Das bedeutet, es wird über- oder unterexprimiert. Und diese Fehlregulation führt dann zu einer veränderten Entzündungsreaktion. Das kann zur Pathogenese der Erkrankung beitragen. Wir vermuten deshalb, dass dem Diabetes mellitus eine entzündlich-autoimmune Pathogenese zugrunde liegt.

Seit vielen Jahren arbeiten Sie am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und an der Charité in Berlin. Was macht dort das Forschen so attraktiv?

Hübner:Das MDC bietet in Zusammenarbeit mit der Charité eine hervorragende Schnittmenge aus Genomforschung und einem systemmedizinischen Blick auf die Dinge. Wir haben hier eine hervorragende Bioinformatik und Biostatistik verankert.

Wir haben ausgezeichnete Gruppen, die sich auf genomischer Ebene mit funktionellen Aspekten der Genomforschung beschäftigen. Und das im Zusammenhang mit der Charité mit seiner klinischen translationalen Sicht. Das macht die besondere Attraktivität dieses Forschungsstandortes aus. Das spiegelt sich auch wider in dem Zusammenschluss von Charité und Max-Delbrück-Centrum zum Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH).

Das Forschungsthema

Die Vielfalt der Erkenntnisse, die mithilfe der Ratte gewonnen werden konnten, spiegeln die Arbeiten des Teams um Professor Norbert Hübner wider, die tiefe Einsichten in die Genfunktion und damit in die Ätiologie von Erkrankungen ermöglichen. Aus genomweiten Assoziationsstudien allein sind sie nicht zu gewinnen.

Kürzlich entdeckte das Team bei Ratten mit Irf-7 (interferon regulatory factor 7) einen Transkriptionsfaktor, der ein Netzwerk von über 300 Genen steuert (Nature 2010; 467: 460-464). Diese Ergebnisse konnten beim Menschen bestätigt werden. Das Netzwerk beinhaltet auch bekannte Risikogene für Typ-I-Diabetes, die vor allem in Makrophagen exprimiert werden. Hier überlappen Signalwege, die an der Entstehung des Diabetes beteiligt sind, mit solchen, die durch Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus aktiviert werden.

Wie Hübner und seine Kollegen darüber hinaus zeigen konnten, spielt das Gen Ebi2 hier eine Schlüsselrolle: Es kodiert für einen G-Protein-Rezeptor, der als Regulator die Expression des Irf-7-Gens und damit das entsprechende Gennetzwerk beeinflusst.

Die Forschungsleiter

Professor Norbert Hübner schloss sein Medizinstudium in Heidelberg und Berlin mit der Promotion im Jahr 1997 an der Freien Universität Berlin ab. Von 1998 bis 2003 war er Postdoc bei Prof. Detlev Ganten am Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin in Berlin.

Seit 2007 hat er den Lehrstuhl für kardiovaskuläre und metabolische Wissenschaften an der Charité inne und leitet eine Forschergruppe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. Im vergangenen Jahr wurde der Arzt und Wissenschaftler zum Programmsprecher Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen in der Helmholtz-Gemeinschaft ernannt. Er ist Mitglied des Nationalen Genomforschungsnetzes.

Forschungsschwerpunkt ist die Identifizierung von Gennetzwerken, die an der Entstehung von Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechselerkrankungen beteiligt sind.

Das Forscherteam

Charité - Universitätsmedizin Berlin & Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Abt. Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen; Professor Dr. med. Norbert Hübner (Leitung)

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