Rauchen

Ausstieg auf Teufel komm raus?

Nicht nur Patienten sind frustriert, wenn sie den ärztlich begleiteten Rauchausstieg nicht schaffen. Unter Ärzten ist der Rat zum Umstieg auf risikoreduzierte Alternativen umstritten.

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Vier von fünf niedergelassenen Ärzten vertreten die Meinung, dass "nur durch absoluten Rauchstopp Gesundheit und Lebenserwartung der heute Rauchenden verbessert werden können." Dies ergibt sich aus einer Auswertung qualitativer Marktforschungsaktivitäten im Auftrag des Tabakkonzerns Philip Morris International (PMI).

Befragt wurden im vergangenen Jahr laut PMI 54 Haus- und 39 Fachärzte in Deutschland. Weiteres Resultat: Ärzte wünschen sich Informationen zu den von Seiten der Tabakindustrie als risikoreduziert proklamierten Produkten (RRP) wie zum Beispiel innovativen Tabakerhitzungssystemen – und zwar 87 Prozent in der medizinischen Fachpresse, 76 Prozent auf medizinischen Kongressen und 73 Prozent durch Fachgesellschaften.

Für Privatdozentin Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), ist das Umfrageergebnis keineswegs überraschend. "Viele niedergelassene Ärzte haben Wissensdefizite in puncto leitliniengerechter Tabakentwöhnung. Es wäre zu viel von ihnen verlangt, die gesamte Palette der Produkte mit modifiziertem Risiko zu kennen", verdeutlicht sie im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Weniger mutagene und karzinogene Chemikalien

Strittig ist die Frage, ob Ärzte im Zuge einer gescheiterten Tabakentwöhnung oder bei absehbar schwierigen Fällen von Anfang an zum Tabakerhitzer oder zur E-Zigarette als schadensreduzierende Alternativen raten und damit dem Ansatz der Harm Reduction folgen sollen.

Fakt ist, dass Umsteiger mit Tabakerhitzern im Vergleich zum Konsum einer konventionellen Verbrennungszigarette die Schadstoffexposition reduzieren, aber weiterhin die gewohnte Nikotinzufuhr erhalten.

Dies macht die Erhitzungstechnik möglich, durch die viele mutagene und karzinogene Chemikalien im Aerosol in ihrem Gehalt reduziert werden, da kein Verbrennungsprozess für den Tabakkonsum benötigt wird.

Die von PMI für das Tabakerhitzungssystem IQOS vorgelegten Daten zur Reduktion der Schadstofflevels im Aerosol konnte das Bundesinstitut für Risikobewertung weitgehend bestätigen, wie es vor Kurzem bei der 15. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle in Heidelberg hieß.

Laut PMI-Befragung stimmen 96 Prozent der Ärzte der Aussage zu, dass risikoreduzierte Produkte eine Alternative für rauchende Patienten sind, die nicht mit dem Rauchen aufhören wollen.

"Für das DKFZ ist die kategorische Absage an das Prinzip der Harm Reduction für die Zukunft keine haltbare Option", verdeutlicht DKFZ-Expertin Mons.

Elektronische Zigaretten und Tabakprodukte mit modifiziertem Risiko sehe sie persönlich als bessere Alternative zum Weiterrauchen an, betont aber, dass die leitliniengerechte Tabakentwöhnung immer noch der erste Weg sein sollte. Das DKFZ befasse sich mit den von PMI publizierten Studien.

Die Laborstudien seien nachvollziehbar, bei den klinischen Studien ergäben sich allerdings noch Zweifel hinsichtlich der Methodik, wie sie betont.

Kontroverse Diskussion

Auch an der Basis wird die Rauchentwöhnung kontrovers diskutiert. So gibt sich der in Frankenberg privatärztlich tätige Internist und Sportarzt Dr. Wolfgang Grebe auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" als Hardliner.

"Das Ziel der Rauchentwöhnung muss immer der Ausstieg sein, auch durch risikoreduzierte Produkte wird das Suchtverhalten des Betroffenen nicht beeinflusst", postuliert Grebe, der selbst regelmäßig Tabakentwöhnungskurse anbietet.

Die Bandbreite der Therapieoptionen sei groß, wie er erklärt, und verweist auf die Suggestion, die direkte Verhaltenstherapie oder auch Medikamente für die Nikotinersatztherapie.

Werde ein Patient rückfällig, so sei die wiederholte Teilnahme am Entwöhnungskurs ratsam – in vielen Fällen stelle sich dann der Erfolg ein, auch wenn es mehrere Runden dauere.

Der in Mönchengladbach niedergelassene Facharzt für Innere Medizin, Angiologie und Phlebologie Dr. Christoph Nielen hingegen empfiehlt Patienten risikoreduzierte Produkte als Alternative zum Weiterrauchen.

Grund sei die niedrige Akzeptanz von Nikotinersatztherapien und der begrenzte Erfolg von Tabakentwöhnungen. (maw)

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