Hochsensitiver Test

Infarktdiagnose schon nach einer Stunde

Der Nachweis oder Ausschluss eines akuten Myokardinfarktes in der Notaufnahme kann mithilfe eines hochsensitiven Troponin-Tests möglicherweise erheblich beschleunigt werden. Studiendaten sprechen für eine hohe diagnostische Präzision schon nach einer Stunde.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Brustschmerz - Infarkt oder nicht, das zu klären ist in so einem Fall erstmal das wichtigste.

Brustschmerz - Infarkt oder nicht, das zu klären ist in so einem Fall erstmal das wichtigste.

© Lisa F. Young / fotolia.com

Rund zehn Prozent aller Patienten, die in die Notaufnahme kommen, weisen Symptome auf, die als Ursache einen akuten Myokardinfarkt möglich erscheinen lassen. Klinische Beurteilung, EKG-Aufzeichnung und wiederholte Troponin-Bestimmungen bilden das Instrumentarium, mit dem die Verdachtsdiagnose Herzinfarkt erhärtet oder ausgeschlossen werden kann.

Bei Messung mit herkömmlichen Assays vergehen nach Infarktbeginn mehrere Stunden, bis erhöhte Konzentrationen der kardialen Troponine I oder T im Blut nachgewiesen werden. Experten sprechen vom "troponinblinden Intervall".

Inzwischen sind neue, hochsensitive Troponin-Tests entwickelt worden, die in der Lage sind, schon wesentlich kleinere Mengen der bei Myokardschädigung freigesetzten herzspezifischen Troponine innerhalb kürzerer Zeit zu detektieren und zu quantifizieren.

Test ermöglicht Vorgaben kardiologischer Gesellschaften für Infarktdiagnostik

Mit diesen Assays ist es überhaupt erst möglich geworden, die Vorgaben kardiologischer Fachgesellschaften für die Infarktdiagnostik zu erfüllen. Nach deren schon vor Jahren festgelegter Definition liegt ein Infarkt dann vor, wenn die Troponin-Menge im Blut einen sehr niedrigen Grenzwert überschreitet. Dieser Wert ist als die 99. Perzentile einer gesunden Referenzbevölkerung definiert worden.

Die höhere Sensitivität der neuen Tests macht die Infarktdiagnostik allerdings nicht unbedingt leichter. Vielmehr ergeben sich daraus neue Anforderungen. So nimmt die Bedeutung, die der klinische Kontext für die Diagnostik hat, nicht etwa ab, sondern eher noch zu.

Der Grund: Gelangen große Mengen Troponin ins Blut, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine massive Myokardschädigung durch einen Herzinfarkt vorliegt, sehr hoch. Dementsprechend ist auch der positive prädiktive Wert der Messung für den Herzinfarkt hoch.

Bedeutung der Differenzialdiagnostik nimmt zu

Werden infolge der höheren Sensitivität der Tests jedoch bei deutlich mehr Patienten schon leichte Troponin-Erhöhungen nachgewiesen, verbreitert sich das Spektrum der als Ursache der Myokardschädigung infrage kommenden Erkrankungen. Der positive prädiktive Wert für den Herzinfarkt sinkt. Die Bedeutung der Differenzialdiagnostik nimmt umgekehrt zu, da nun gerade bei unklarer Symptomatik auch Ursachen wie Lungenembolie, Herzinsuffizienz oder Myokarditis in Betracht zu ziehen sind.

Dies habe bei Ärzten zu "Verwirrung" geführt, konstatiert eine Gruppe von Kardiologen um Professor Christian Müller von Universitätshospital Basel. Ihr Anliegen war deshalb, einfache und zuverlässige Anleitungen für die Anwendung eines hochsensitiven Troponin-Tests zu entwickeln, um dessen Vorteile in Praxis zur Geltung bringen zu können.

Wie kurz darf das Intervall zwischen erster und zweiter Troponin-Messung sein, um noch einen zuverlässigen Nachweis oder Ausschluss eines Myokardinfarkts zu ermöglichen? Dieser Frage sind Müller und seine Kollegen in einer Studie nachgegangen, in der sie einen neuen Algorithmus für rasche Infarktdiagnostik entwickelt und validiert haben.

Beteiligt waren 872 Patienten, die mit akutem Brustschmerz in die Notfallaufnahme kamen. Bei ihnen wurden die Werte für das kardiale Troponin T (hs-cTnT-Werte) jeweils zu Beginn und nach einer Stunde mithilfe eines hochsensitiven Troponin-T-Assays (Elecsys® TroponinT hs, Roche Diagnostics) gemessen.

Gesucht: optimale Grenzwerte

Die ersten 436 Patienten bildeten das Kollektiv, in dem der Algorithmus entwickelt wurde. Dazu wurden unter anderem der hs-cTnT-Ausgangswert und der absolute Unterschied im hs-cTnT-Wert innerhalb der ersten Stunde herangezogen. Es galt, die optimalen Grenzwerte für den Nachweis ("rule in") oder Ausschluss ("rule out") eines Infarktes auszuwählen.

Als "optimale Schwelle" für den Ausschluss wurden ein hs-cTnT-Ausgangswert unter 12 ng/L und eine absolute Änderung um weniger als 3 ng/l innerhalb der ersten Stunde gewählt. Als "Rule-in"-Schwelle wurden ein hs-cTnT-Ausgangswert von 52 ng/dl oder höher und eine absolute hs-cTnT-Änderung um 5 ng/dl oder mehr festgelegt. Bei weiteren 436 Patienten ist der so erstellte Algorithmus dann validiert worden.

Im Gesamtkollektiv wurde am Ende bei 147 Patienten (17 Prozent) ein akuter Myokardinfarkt definitiv gesichert. Nach Anwendung des erstellten Algorithmus im Validierungskollektiv wurden 159 Patienten (60 Prozent) als "Rule out" klassifiziert. Bei allen lag man mit dieser Klassifizierung richtig, Sensitivität und negativer prädiktiver Wert betrugen demnach 100 Prozent.

Weitere 76 Patienten (17 Prozent) fielen unter die "Rule-in"-Klassifikation, bei 12 Patienten erwies sich diese Klassifizierung als falsch positiv für den Herzinfarkt. Als Ursachen wurden bei ihnen zumeist Erkrankungen wie Arrhythmien, Myokarditis oder Lungenembolie festgestellt. Für den Infarktnachweis ("rule in") hatte der Algorithmus eine Spezifität von 97 Prozent und einen positiven prädiktiven Wert von 84 Prozent.

Insgesamt ermöglichte der Algorithmus somit bei 77 Prozent aller Patienten schon innerhalb von einer Stunde eine definitive Infarktdiagnose - sei es ein Nachweis oder Ausschluss.

Bei 101 Patienten (23 Prozent) war innerhalb der ersten Stunde noch keine eindeutige Klassifizierung möglich ("Beobachtungszone"). Bei acht Patienten dieser Gruppe (8 Prozent) konnte wenig später ein Myokardinfarkt nachgewiesen werden.

Nach diesen Ergebnissen, so die Autoren, könnte der Algorithmus dazu beitragen, die Zeit bis zur Diagnosesicherung bei Infarktverdacht signifikant zu verkürzen. Allerdings räumen sie ein, dass zunächst eine Bestätigung und externe Validierung in einer zweiten Studie erforderlich sei.

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