Entlassmanagement

Die Spielregeln machen Probleme

Dass sie Verordnungen ausstellen dürfen, begrüßen Klinikärzte und auch die Betreiber der Häuser. Nicht ganz zufrieden sind sie allerdings mit den vielen Hürden, die sie für ein gutes Entlassmanagement nehmen müssen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Das Entlassmanagement kostet zu viel Zeit, moniert Rita Hemkendreis vom jüdischen Krankenhauses Berlin (Mitte).

Das Entlassmanagement kostet zu viel Zeit, moniert Rita Hemkendreis vom jüdischen Krankenhauses Berlin (Mitte).

© S. Pilick

BERLIN. Seit Oktober 2017 sind Kliniken verpflichtet, ein Entlassmanagement durchzuführen. "Dabei ist allerdings nicht genau im Gesetz definiert, für welche Patienten es gilt", sagte Professor Thomas Auhuber beim Hauptstadtkongress.

Zwar müssten die Kliniken ein Assessment vornehmen, doch sollten deshalb wirklich nur die "komplexen Patienten" davon profitieren, fragte sich der Leiter Medizinmanagement der BG Unfallkrankenhaus Berlin gGmbH.

"Auch wenn nur ein Medikationsplan oder eine Information für den Hausarzt mitgegeben wird, ist das doch ein Entlassmanagement." Und auch diese Information sollte strukturiert weitergegeben werden, damit sie für die Nachsorge nutzbar ist.

Im BG Unfallkrankenhaus wurde daher der Prozess für alle Patienten standardisiert. "Arbeiten Sie mit Checklisten", riet er den Kongressbesuchern, diese sollten interdisziplinär aufgebaut sein und etwa gleich die Pflege einbeziehen.

Wünschen würde sich Auhuber zudem, dass man auch den vorstationären Bereich in den Prozess aufnimmt. "Wie kommt der Patient ins Krankenhaus? Da könnte man vor Aufnahme schon viel regeln."

Schwer verdauliche Richtlinien

Etwas zwiegespalten sind die Kliniken noch in Sachen Verordnung – egal, ob es um Arzneimittel, Hilfs- oder Heilmittel geht – wie sich in Berlin zeigte. "Es ist toll, dass wir Verordnungen ausstellen dürfen", so Auhuber, "aber es handelt sich nur um eine eingeschränkte Verordnungspflicht."

Laut Auhuber ist das vielen Klinikärzten und Patienten noch nicht klar. Schwierig sei zudem, Klinikärzten, die sich zuvor noch nie mit den Verordnungsformularen und -mustern und den Spielregeln für die Verordnung beschäftigt haben, das richtige Ausfüllen beizubringen. "Sie kennen ja die GBA-Richtlinien, das ist die klassische Bettlektüre."

Große Unsicherheit verursacht aber vor allem eine Frage: Wann können Kliniken oder ihre Ärzte in Regress genommen werden? Auhuber: "Es ist völlig unklar, was hier auf uns zukommt." Es sei daher nicht immer einfach, auch einem Klinikmanagement klarzumachen, dass hier – für den Fall der Fälle – Rückstellungen gebildet werden müssten.

Gleichzeitig müsse man den Ärzten beibringen, dass sie zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise verpflichtet seien, "Was immer das bedeutet", sagte Auhuber.

"Das Warten darauf, wie Regresse aussehen könnten, verunsichert alle Kliniken", bestätigte auch Rita Hemkendreis, Pflegedirektorin des jüdischen Krankenhauses Berlin.

Die Kliniken sind auf die neue Verordnungsmöglichkeit aber auch technisch gar nicht vorbereitet: Die Verordnungsformulare benötigen zum Teil spezielle Drucker, die nach wie vor den Druck eines Durchschlags erlauben oder auf mehrere Druckfächer für die bestimmten Formulargrößen zugreifen.

In den meisten Häusern werden solche Geräte längst nicht mehr vorgehalten. "Wir haben jetzt erst einmal zwei Drucker angeschafft", berichtete Hemkendreis. Für ein ganzes Klinikum nicht gerade viel.

Und dann passen die Drucker unter Umständen nicht zum Klinikinformationssystem (KIS), so Auhuber. Das KIS müsse zudem erst einmal auf die Rezeptierfähigkeit ausgerichtet werden.

Problemfeld Wahlfreiheit

Ein anderes Problem stellt für die Kliniken die Wahlfreiheit der Patienten dar. Denn der Patient kann nicht verpflichtet werden, sich letztlich an den Kooperationspartner in der nachstationären Pflege oder vielleicht bei Hilfsmitteln zu wenden, mit dem die Klinik zusammenarbeitet. "Das heißt, sie können dann als Klinik unter Umständen wieder lostelefonieren", so die Erfahrung von Hemkendreis.

Das Entlassmanagement schafft ihrer Meinung nach noch zu viele Zeitprobleme. "Auch, weil bei uns in der Klinik derzeit nur zwei Abteilungen voll digitalisiert sind." Zu 60 Prozent liege das Entlassmanagement derzeit noch in der Hand der Pflegekräfte, berichtete sie.

Den Fachkräftemangel in der Pflege spüren die Kliniken bei ihrer neuen Pflicht dabei recht deutlich: "Wir finden keinen Sozialdienst, der die Nachsorge macht", so Hemkendreis.

Daran ist nach Ansicht von Susanne Pletowski, Vizepräsidentin des bpa – Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, vor allem Schuld, dass die Pflege in den Gestaltungsprozess des Entlassmanagements nicht einbezogen wurde.

"Die Ressourcen fehlen, die sozialen Dienste sind einfach nicht mehr in der Lage, Patienten aufzunehmen", so Pletowski. Daher wäre es wichtig gewesen, von vornherein die Pflege mitplanen zu lassen.

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