Mit Ohrenschmerzen auf Entdeckungstour in der Ägäis

Von Ronald D. Gerste Veröffentlicht:

Das Hollywood-Epos "Troja" mit Brad Pitt in der Hauptrolle feierte am Wochenende in Berlin Weltpremiere. Ab heute ist der Film von Wolfgang Petersen auch in den deutschen Kinos zu sehen.

Besonders beeindruckend ist eine Computersimulation, die eine gigantische Flotte von Galeeren in die Schlacht ziehen läßt. Selbst Mediziner dürften kaum wissen, daß das Bad im tiefblauen Wasser der Ägäis am Anfang der Pathogenese des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann stand.

Für die Menschen des 19. Jahrhunderts war er ein Phänomen: Schliemann galt als intellektueller Überflieger, der Sprachen binnen drei bis vier Wochen lernte. Er war auch erfolgreicher Geschäftsmann. Schon als Vierzigjähriger hätte er sich zur Ruhe setzen können. Doch statt dessen widmete der Weltenbummler - er war Bürger Deutschlands, Rußlands, der USA und hatte Wohnsitze in Paris und Athen - sein Dasein der Wissenschaft.

Er wurde Archäologe und jagte seinem Traum nach, das antike Troja zu finden. Und er war erfolgreich. Schliemann erbrachte den Beweis, daß die sagenhafte Stadt tatsächlich existiert hatte und keine von Homer erfundene Legende war.

Ein morgentliches Bad gehörte zu Schliemanns Gewohnheiten

Zu seinen Gewohnheiten gehörte es, frühmorgens ein Bad im nächsten Gewässer zu nehmen, gleichgültig wie kalt die Temperatur war. Er schwamm vor Troja in der Agäis, in Kalifornien im Sacramento River und während seiner Zeit als Kaufmann in St. Petersburg in der Newa. Was Fitness-Enthusiasten heute als vorbildlich betrachten würden, ist für Schliemann auf lange Sicht fatal. Seine Ohren machen ihm, vermutlich als Folge der Kälteexposition, rezidivierend Probleme.

Seinem Brieffreund Rudolf Virchow schreibt er 1890 optimistisch: "... überdies habe ich keine Schmerzen mehr und glaube fast, ich würde schon wieder hören, wenn mir nicht wiederholt beim Baden Wasser ins Ohr gekommen wäre. Die präparierte Baumwolle nämlich läßt Wasser durch, und so segensreich das Meerwasser auch auf die äußeren Wunden wirkt, so hat es bei mir bei kleiner Anschwellung im Ohr doch den sonderbaren Effekt, daß es diese reizt und vergrößert."

Schliemann, längst im Umgang mit Ohrverbänden geübt, leidet immer wieder unter Entzündungen, Ohrenschmerzen und Otorrhoe. Vor allem das linke Ohr hat funktionell stark gelitten, Schliemann bezeichnet sich wiederholt als taub.

Im November 1890 läßt sich Schliemann von dem Hallenser Otologen Professor Hermann Schwartze operieren: "Hoch lebe Asklepios, die Operation erklärt Professor Schwartz [sic] für ausführbar und will sie morgen früh gleichzeitig auf beiden Ohren vornehmen. Er meint, ich würde drei Wochen lang taub bleiben, könne aber schon nach vier Wochen abreisen." Die Operation findet statt und Schliemann übersteht sie gut. Schwartze entfernt beidseits mehrere Exostosen.

Doch es gibt keine wirklich effektive pharmakologische Möglichkeit, die postoperative Keimbesiedlung zu verhindern. Zwei Wochen nach dem Eingriff lassen ihn die Schmerzen kaum schlafen. Rastlos verläßt er Halle. Es geht weiter, nach Paris. Hier sucht er am 17. Dezember den Ohrenarzt Ladreit de la Charrière auf. Dieser sieht, "daß sich das rechte Ohr mit Jodoform-Pulver überfüllt hat. Außerdem holte er eine Masse abgemeißelten Knochens heraus, sie war bei der Operation nicht entfernt worden.

Das Vertrauen des Forschers in die Medizin war erschüttert

"Da Schwartze täglich fünf Wochen lang das Ohr untersucht hat, scheint es unglaublich, daß er nicht den Knochenbrei gesehen hat und dies ist nur erklärlich durch das Jodpulver, wovon immer zugeschüttet wurde." Sein Vertrauen in die Ärzte war erschüttert, nachdem der französische Arzt einen anderen Weg einschlägt als der Hallenser Ordinarius. Es kommt zu einer otogenen Meningitis. Schliemann reist trotzdem weiter nach Neapel, wo er am 26. Dezember 1890 stirbt - an den Gestaden eines Meeres, über das einst Odysseus segelte.

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