"Rausch im Bild - Bilderrausch" - eine sentimentale Reise durch die 70er Jahre

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Welchen Einfluß haben Drogen auf die Kunst? Expressionisten wie Ernst Ludwig Kirchner oder die Surrealisten haben offen thematisiert, daß sie sich von Rauschsubstanzen inspirieren ließen. Eine "sentimental journey" in die 70er Jahre - die Hochzeit inszenierter Rauschorgien mit psychoaktiven Substanzen wie LSD oder Cannabis - ermöglicht die Sammlung Prinzhorn mit ihrer jüngsten Ausstellung "Rausch im Bild - Bilderrausch" - Drogen als Medien von Kunst in den 70er Jahren.

150 bildnerische Werke von 16 jungen Menschen werden gezeigt, die vor 30 Jahren Drogen konsumiert haben und sich damals teilweise beeindruckend bildnerisch ausdrückten, ohne Künstler zu sein: "Die Bilder spiegeln einen Lebensstil, der Drogengebrauch einschloß, weniger den Drogengebrauch selbst", ist im begleitenden Katalog zu der Ausstellung zu lesen.

300 Gemälde, Zeichnungen und Grafiken

Das Projekt konnte durch eine Schenkung des Allgemeinmediziners Hanswilhelm Beil (1924-2002) aus Freiburg an die Prinzhorn-Sammlung verwirklicht werden. Ein Jahr vor seinem Tod hat er der Heidelberger Sammlung, die vor allem künstlerische Werke von stationären Psychiatriepatienten beherbergt, mehr als 300 Gemälde, Zeichnungen und Graphiken drogenkonsumierender Jugendlicher und junger Erwachsener aus den 70er Jahren vermacht.

Der Mediziner hat in Hamburg eine allgemeinärztliche Praxis betrieben und ab 1965 in mehr als 25 Jahren über 5000 Drogenpatienten betreut. Beil war seinen Schützlingen nach deren eigenen Aussagen sehr zugetan, und so schenkten sie ihm wohl aus Dankbarkeit Zeichnungen und Malereien.

Die Heidelberger Ausstellung ist in Kooperation mit dem Forschungsprojekt "Ritualdynamik und Salutogenese beim Gebrauch und Mißbrauch psychoaktiver Substanzen" an der Abteilung für Medizinische Psychologie des Uniklinikums entstanden.

Von Beil weiß man, daß die jungen Leute im Alter von etwa 13 bis 25 Jahren über mehrere Jahre Drogen konsumierten: Vor allem LSD und Cannabis, aber auch teilweise Heroin. Ob ihre Werke direkt im Drogenrausch entstanden, ist nicht belegt. Lediglich für eine Serie von beeindruckenden Tinten-Zeichnungen W.K.’s, einem Straßenmusikanten, ist bekannt, daß sie während eines LSD-Trips entstanden sind. Seine Federzeichnungen sind im Gegensatz zu den anderen ausgestellten Werken regelrecht sparsam, man verfolgt den suchenden Strich, der immer wieder Gegenstände anpeilt und sie dann wieder verläßt.

Viele der Rauschbilder reflektieren die Natur, vor allem Pflanzen und Tiere. Sie wirken auf den Betrachter oft anrührend naiv, teilweise märchenhaft. Es sind Traumwelten. Farbenfroh und formenreich, entsprechen sie ganz der damaligen Hippiekultur.

Manche Bilder erinnern an Horrortrips

Aus anderen Bildern wiederum sprechen Angst und Schrecken, als hätten die Schöpfer dieser Werke einen Horrortrip zu verarbeiten. Teilweise finden sich groteske Darstellungen, die an Surrealismus erinnern, auch Musikthemen oder Motive indischer Religion gehen in die Werke ein.

Beim Betrachten der Bilder in den abgedunkelten Räumen des Prinzhorn-Museums scheint man sich schnell wieder in der Welt der damaligen jungen Generation zu finden: Weltverbesserer und Blumenkinder, die sich gegen das Establishment auflehnten und Drogen als Vehikel für "eine Reise durch das eigene Innere" konsumierten.

Doch man sollte sich "dem Rätselhaften dieser Bilder nicht durch Banalisierung nähern oder durch voreilige Etikettierung den Blick verflachen", schreiben die Ausstellungsmacher Thomas Röske und Henrik Jungaberle im Vorwort zum Katalog und fahren fort: "Die Realität dieser transrealen Welten berichtet von der allzu menschlichen Suche nach dem anderen und eigentlichen Leben, die in jeder Generation neu entworfen wird." Ingeborg Bördlein

Die Ausstellung ist in der Sammlung Prinzhorn, Voßstraße 2 in Heidelberg, noch bis zum 30. Januar 2005 zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Öffentliche Führungen sind mittwochs 18 Uhr und sonntags 14 Uhr.

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