Hausfrau macht Theater: "Welche Droge paßt zu mir?"

Von Christian Schindler Veröffentlicht:

"Sie sehen ja aus, als ob Sie sich einen schmutzigen Film ansehen wollen", sagt Rita Feldmeier zu den eintreffenden Zuschauern. Die Schauspielerin steht in einem Saal der Villa Kellermann in der vornehmen Berliner Vorstadt von Potsdam. In der Villa residierte zu DDR-Zeiten der Kulturbund. Gleichsam um die Ecke wohnen Günter Jauch und Wolfgang Joop. Und hier also soll man sich mit folgender Frage befassen: "Welche Droge paßt zu mir?"

Autor Kai Hensel nennt sein Stück "eine Einführung", und auf den ersten Blick ist der Monolog von Hanna tatsächlich eine Ansammlung von Ratschlägen für den Umgang mit Bewußtsein verändernden Stoffen. Die Provokation besteht nicht nur im Hinweis zur "richtigen" Dosierung von Ecstasy oder zum legalen Erwerb diverser Hilfsmittel für den Drogenkonsum. Hanna ist weder Dealer noch das, was man gemeinhin Junkie nennt. Sie ist eine elegante Hausfrau um die 40, mit Mann in guter Stellung und begabtem, aber übersensiblem Sohn. Da spricht kein Kind vom Bahnhof Zoo und auch keine verlorene Generation aus der Einsamkeit der Baumwollfelder.

Erst langsam lüftet Rita Feldmeier in der Regie von Petra Luisa Meyer den Schleier um Hannas Persönlichkeit. Die gebildete Dame, die immer wieder ironische Spitzen gegen Mann und Sohn abschießt, ist mit ihrem Leben unzufrieden. So wie Ausstatter Marek Hertel den Raum als Mischung zwischen Salon und Labor gestaltet hat und damit die Möglichkeit zur chemischen Analysen der Pillen und Pulver einräumt, überläßt Rita Feldmeier dem Publikum indirekt die Möglichkeit zur Analyse der inneren Leere einer Person, der äußerlich nichts fehlt.

Immer wieder betont Hanna mit Zitaten Senecas, daß Leben Mut erfordere und Risiken einzugehen seien. Für die vornehme Dame beginnt der Mut zum Risiko mit den Pillen in der Hosentasche eines Lehrlings, der zur Dachreparatur in die Villa gekommen ist.

Dann steigert sich der Konsum in Quantität und Qualität, bis nicht nur der "Schrecken" einer gut bürgerlichen Ehe mit langweiligem Sex und nervigem Kind offenbart ist. Bei allem Spaß am Entsetzen über die kaltblütige Einführung in die Welt der Drogen läßt Rita Feldmeier die Zuschauer spüren, daß die Drogen und nicht die Unzufriedenheit mit der bürgerlichen Existenz die größere Katastrophe darstellen.

Mit der Inszenierung erobert sich das Potsdamer Hans-Otto-Theater nicht nur einen spannenden Spielraum in der brandenburgischen Landeshauptstadt, sondern auch die Aufmerksamkeit eines amüsierten und manchmal leicht betroffenen Publikums.

Potsdam, Hans-Otto-Theater, Villa Kellermann (Mangerstraße 34 - 36), nächste Vorstellung: 26. Februar, 19.30 Uhr. Kartentelefon: (0331) 98 11 8. Karten kosten zehn Euro, ermäßigt sieben Euro.

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