"Wir halten selbstverständlich die Nachtruhe ein"

BREMEN. Mit zweifelhaften Mitteln drängt die Telekom vielen ihrer Kunden die Nutzung eines virtuellen Anrufbeantworters auf. Ein Automat ruft von morgens um acht bis abends um zehn immer wieder bei ihnen an, damit sie die sogenannte T-Net-Box aktivieren. Betroffene sprechen gar von "Telefonterror".

Von Eckhard Stengel Veröffentlicht:

Die Psychotherapeutin und Ärztin Maria S. gehört zu jenen Menschen, die sich überhaupt nicht für die neuesten Kommunikationstechnologien interessieren. Für sie muß man mit einem Telefon nur eines können: telefonieren.

Umso irritierter war die Bremerin, als bei ihr kürzlich die Deutsche Telekom mit einer automatischen Ansage anrief: "Hallo und herzlich willkommen in Ihrer T-Net-Box", bekam sie von einer "überkandidelten Frauenstimme" zu hören, wie sie sagt.

Und weiter: "Um Ihre neue T-Net-Box nutzen zu können, benötigen wir von Ihnen noch einige Eingaben... Geben Sie uns jetzt bitte Ihre neue vierzehnstellige Geheimzahl ein."

Eine T-Net-Box war nicht bestellt

Dummerweise hatte Maria S. gerade keine vierzehnstellige PIN parat, und sie konnte sich auch nicht daran erinnern, überhaupt eine T-Net-Box bestellt zu haben - also jenes elektronische Postfach bei der Telekom, das den eigenen Anrufbeantworter ersetzt. Folglich legte sie einfach auf und dachte, nun ihre Ruhe zu haben. Aber da kannte sie die Telekom schlecht. Von nun an klingelte es immer wieder bei ihr - mal stündlich, mal alle zehn bis 15 Minuten, wie sie sich erinnert.

"Man wurde richtig verfolgt von dieser Computerstimme - das war richtiger Terror", sagt Maria S. Schließlich hörte sie sich die Ansage genauer an und erfuhr, daß sie die Anrufe stoppen könnte, wenn sie eine gebührenfreie Telekom-Kundenbetreuung anwählen würde.

Dort stieß sie endlich auf einen lebenden Ansprechpartner, der ihre Nummer aus dem Wählcomputer entfernte - aber ihr auch ankündigte, daß die Sperre erst nach 24 Stunden wirksam würde. Entnervt ließ die Therapeutin daraufhin einen Tag lang ihren Hörer neben dem Telefon liegen.

Ein Blick ins Internet zeigt, daß sich auch andere Kunden von solchem "Telefonterror" verfolgt fühlen. Was ihnen allen offenbar nicht bewußt ist: Sie haben durchaus eine T-Net-Box bestellt - indem sie nämlich einen Telefontarif gewählt haben, bei dem auch das elektronische Postfach automatisch mit zum Leistungsumfang zählt. Das ist bei drei von vier Telekom-Tarifarten der Fall, wie der Pressesprecher der Festnetzsparte T-Com, Walter Genz, erläutert.

Kunden sollten eigentlich ausdrücklich aufgeklärt werden

Eigentlich sollen die Kunden ausdrücklich darüber aufgeklärt werden. Aber offenbar klappt das nicht immer - oder es kommt nicht bei allen an. So fühlen sich etliche übertölpelt, wenn plötzlich die neue Mailbox anruft und aktiviert werden will, was laut Genz auch nach jedem Umzug nötig ist.

"So ein Automat ist natürlich beharrlich", weiß der Pressesprecher, "aber wir halten selbstverständlich die Nachtruhe ein". Sehr lang ist die freilich nicht: Laut Genz meldet sich der Wählcomputer am ersten Tag zehnmal zwischen 8 und 22 Uhr und am Folgetag von 8 bis 16 Uhr.

Dann gibt er erst mal Ruhe. Wer die Anrufe schon vorher per Kunden-Hotline stoppen läßt, muß laut Genz meist noch zwei weitere Stunden oder maximal bis zum nächsten Morgen warten, bis das Geklingel wirklich aufhört.

Warum dreht der Telefonkonzern den Spieß nicht einfach um? Also: Nicht er ruft die Verbraucher an, sondern sie melden sich bei ihm, wenn sie die zum Tarif gehörende T-Net-Box tatsächlich nutzen und freischalten wollen? Genz fürchtet, daß die Anschlußinhaber das vergessen könnten. "Das ist ein Klasseprodukt; Das verdient es auch, so aktiv vorangebracht zu werden."

Patienten hörten eine irritierende Ansage

Aber wieso muß der Wählcomputer gleich tagelang statt nur ein- oder zweimal die Kunden anklingeln? "Das hat sich im Laufe der Zeit als praktikabel herausgestellt", meint der Sprecher und erwähnt dann noch die "weit über sechs Millionen Kunden, die die T-Net-Box begeistert nutzen". Genz wörtlich: "Sechs Millionen Leute können nicht irren."

Maria S. wird inzwischen nicht mehr durch den Automaten belästigt. Dafür hören ihre Patienten und Freunde jetzt Stimmen: Jedesmal, wenn sie die Bremerin anrufen wollen und der Anschluß gerade besetzt ist, schaltet sich statt des Besetztzeichens sofort eine irritierende Ansage ein: "Für die von Ihnen gewählte Nummer existiert zur Zeit keine T-Net-Box."

Nach Auskunft von Genz soll ein solcher Text eigentlich nur in den ersten 24 Stunden nach Abschalten einer Mailbox erklingen. Aber manchmal dauert es bei der Telekom eben etwas länger - in diesem Fall über einen Monat.

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