Von der "Generation Aufbruch" zu hilflosen alten Baby-Boomern

Von Thomas Oser Veröffentlicht:

"Gelingt es uns nicht, das Altern des Menschen neu zu definieren, werden wir in eine Zivilisation der Euthanasie eintreten." Mit solchen Sätzen malt Frank Schirrmacher in seinem Bestseller "Das Methusalem-Komplott" ein Horrorszenarium angesichts des dramatischen demographischen Wandels an die Wand.

Außer dem Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" haben sich auch andere Autoren mit der alternden Bevölkerung befaßt - und zum Teil eine positive Sicht der neuen Alten entfaltet.

"Frank Schirrmacher hat mit seinem Buch das Thema des demographischen Wandels leider mit einer negativen Konnotation transportiert und damit der Sache nicht gedient", meint Ernst Pöppel. Der Münchner Hirnforscher leitet das "Generation Research Program" in Bad Tölz, in dem international und interdisziplinär an sinnvollen Lebensperspektiven für die "Generation plus" - so nennt Pöppel die über 50jährigen - geforscht wird.

Politiker, Werbestrategen, Ingenieure und Fernsehmacher hätten bislang noch nicht erkannt, welch großes Potential in der "Generation plus" stecke, sagt Pöppel.

"Nach Jahrzehnten meist fremdbestimmter Arbeit im Beruf sehnen sich die Menschen danach, sich endlich selbst zu verwirklichen. Sie wollen aber auch nützlich bleiben und für andere etwas tun." Es fehle jedoch bislang noch in allen Bereichen - von der einfach zu bedienenden Technik bis zu speziellen Bildungsprogrammen - an den entsprechenden Angeboten.

Dies ist für Anne von Blomberg nur noch eine Frage der Zeit. Geradezu euphorisch fegt sie in ihrem Buch "Generation Aufbruch" alle Angstszenarien über das Altern hinweg. Die "Generation Aufbruch", als die die Autorin die zwischen 1940 und 1965 Geborenen bezeichnet, werde den Veränderungsgeist, den sie in den 1960er Jahren und danach bewiesen hat, auch im Alter zeigen.

Damals hätte diese Generation die sexuelle Befreiung und viele andere gesellschaftliche Reformen durchgesetzt. Künftig werde sie in allen Bereichen - von der Gesundheit über die Sexualität bis zu Wohnformen - das Leben im Alter revolutionieren, prophezeit die 1941 geborene Autorin. Sie geht außerdem davon aus, daß die Medizin Alterskrankheiten wie Alzheimer weiter zurückdrängen wird.

Weniger enthusiastisch beschreibt Elisabeth Niejahr, Jahrgang 1965, in ihrem Buch "Alt sind nur die anderen" die vielfältigen Veränderungen, die das Älterwerden der Gesellschaft mit sich bringen wird. Angesichts der ständigen Korrekturen der Rentenformel bemerkt die Redakteurin der Wochenzeitung "Die Zeit": "Wahrscheinlich müssen wir unsere Lebensentwürfe viel stärker korrigieren als unsere Versicherungssysteme."

Ähnlich wie Schirrmacher sieht auch Claudius Seidl, Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", an der Baby-Boomer- Generation, also den zwischen 1955 und 1965 Geborenen, wenig Positives. Diese Generation, die in zwanzig bis dreißig Jahren die übergroße Gruppe der Alten stellen wird, habe nie wirklich gelernt, Verantwortung zu übernehmendem Buch, schreibt er in seinem Buch "Schöne junge Welt". (dpa)

Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott Karl Blessing Verlag, München 220 S., Euro 16,00 ISBN 3-89667-225-8 Anne von Blomberg: Generation Aufbruch mvg Verlag, Frankfurt/Main 298 S., Euro 15,90 ISBN 3-636-06149-6 Elisabeth Niejahr: Alt sind nur die anderen S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 192 S., Euro 17,90 ISBN 3-10-053704 Claudius Seidl: Schöne junge Welt Goldmann Verlag, München 192 S., Euro 18,00 ISBN 3-442-31074-1

Lesen Sie dazu auch: Arm und einsam - das harte Schicksal der Alten Immer mehr Alte und immer weniger Arbeitsfähige

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